Übergewicht

Dauer und Ausmaß erhöhen das Krebs-Risiko

Stuttgart - 13.09.2016, 07:00 Uhr

Welche Rolle spielt das Gewicht für die Entstehung von Tumoren? (Foto: rodimovpavel / Fotolia)

Welche Rolle spielt das Gewicht für die Entstehung von Tumoren? (Foto: rodimovpavel / Fotolia)


In Ländern mit hohem Einkommen ist Übergewicht zum wichtigsten Risikofaktor für die Krankheitslast geworden. Zum ersten Mal wurde nun in einer großen Kohorte untersucht, welche Rolle die Dauer und die Menge der „überflüssigen Pfunde“ für das Krebsrisiko bei Frauen spielen könnten.

Ein Team von Wissenschaftlern aus den USA, Frankreich und Israel hat Daten von rund 74.000 Frauen aus dem Beobachtungsstudien-Teil der Women’s Health Initiative (WHI) analysiert, wie sie im Fachmagazin „PLoS Medicine“ schreiben. Sie wollten dem Zusammenhang zwischen der Dauer und dem Ausmass des Übergewichts und dem Krebsrisiko näher auf den Grund gehen.

Die WHI ist eine große, multizentrische prospektive Kohortenstudie an US-amerikanischen Frauen nach der Menopause. Sie findet landesweit an 40 klinischen Zentren statt. Für die Studie wurden zwischen Oktober 1993 und Dezember 1998 postmenopausale Frauen im Alter von 50 bis 79 Jahren rekrutiert. Sie werden nun hinsichtlich der Entstehung von Krankheiten beobachtet, die die häufigsten Todesursachen darstellen, wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs. Übergewicht wird mit der Entwicklung von zahlreichen Krebsarten wie postmenopausalem Brustkrebs, Darm- und Blasenkrebs sowie Tumoren in der Speiseröhre, Bauchspeicheldrüse, Gebärmutter und Eierstock in Verbindung gebracht. 

Im Schnitt 31 Jahre übergewichtig

40 Prozent der in die Analyse einbezogenen rund 74.000 Frauen waren in ihrem Erwachsenenleben nie übergewichtig, sie hatten einen Body-Mass-Index (BMI) von unter 25. Von den verbleibenden 60 Prozent war fast die Hälfte einmal fettleibig, hatte also einen BMI von über 30. Die durchschnittliche Dauer des Übergewichts lag bei rund 31 Jahren und die der Fettleibigkeit bei rund 20,5 Jahren.

Während des Beobachtungszeitraums von 12,6 Jahren wurden ungefähr 6.300 Übergewichts-assoziierte Krebserkrankungen diagnostiziert. Die Studie untersuchte, inwiefern sich zwischen den beiden Größen klare Zusammenhänge feststellen lassen.

Dosis-Wirkungsbeziehung zwischen Übergewicht und Krebs

Die Wissenschaftler fanden heraus, dass längere Zeiten von Übergewicht und Adipositas die Gesamt-Inzidenz von Übergewichts-assoziierten Krebserkrankungen signifikant erhöhte: Bezogen auf einen Zeitraum von zehn Jahren Übergewicht im Erwachsenenalter stieg sie um 7 Prozent. Die postmenopausalen Brustkrebsraten sind mit einem um 5 Prozent höheren Risiko verbunden, ermittelten die Wissenschaftler, und Gebärmutterkrebs mit einem um 17 Prozent höheren Risiko. Dabei wurde für fast alle Krebsarten eine Dosis-Wirkungsbeziehung zur Dauer des Übergewichts gefunden. Berücksichtigt man dabei zusätzlich die Intensität des Übergewichts, so stiegen diese Zahlen für alle Krebsarten auf 12 Prozent an, für den postmenopausalen Brustkrebs auf 8 Prozent und für das Endometriumkarzinom auf 37 Prozent – bezogen auf zehn Jahre mit einem Body Mass Index von mehr als zehn über Normalgewicht.

Hormone könnten das Risiko mindern

Ein weiteres Ergebnis der Analyse ist, dass das Risiko von postmenopausalem Brust- oder Gebärmutterkrebs in Abhängigkeit von der Dauer des Übergewichts beziehungsweise der Fettleibigkeit durch die Gabe von Hormonen nach der Menopause modifiziert wird. Bei den Hormon-Nutzerinnen ist das Risiko abgeschwächt oder sogar ganz verschwunden. 

Die Autoren gestehen zu, dass ihre Analyse mit Einschränkungen zu bewerten ist. Einige Daten zu den Studienteilnehmerinnen seien rückwirkend aus Eigen-Berichten gewonnen worden. Außerdem gebe es wie in allen Langzeitstudien Datenlücken, die jedoch mit statistischen Methoden teilweise „ausgebügelt“ werden konnten. Klinische Empfehlungen ließen sich deshalb aus den erhobenen Befunden nicht ableiten. Für eine klare Aussage reichen sie allerdings aus ihrer Sicht trotzdem aus: Im Hinblick auf das Risiko der Entwicklung unterschiedlicher Krebsarten, das mit starkem und längerem Übergewicht offenbar verbunden ist, kann mit der Adipositas-Prävention in allen Altersgruppen nicht früh genug angefangen werden.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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