Wahlen in der Hauptstadt

Wen sollten Apotheker in Berlin wählen?

Berlin - 12.09.2016, 12:55 Uhr

Wer zieht hier ein? Die Berliner müssen am kommenden Sonntag ein neues Abgeordnetenhaus wählen. (Foto:dpa)

Wer zieht hier ein? Die Berliner müssen am kommenden Sonntag ein neues Abgeordnetenhaus wählen. (Foto:dpa)


Gibt es in Berlin zu viele Apotheken? Ärgern sich die Parteien in der Hauptstadt darüber, dass es noch kein eRezept gibt? Und sollte es nicht gerade in einer so fortschrittlichen Stadt wie Berlin neuartige Abgabe-Lösungen wie Video-Automaten geben? DAZ.online hat bei allen Parteien aus dem Berliner Abgeordnetenhaus und der AfD nachgefragt.

Am kommenden Sonntag müssen die Berliner ein neues Abgeordnetenhaus wählen. Wie zuvor in Mecklenburg-Vorpommern könnte es – glaubt man den Umfragen – zu großen Veränderungen kommen, sowohl im Abgeordnetenhaus als auch in der Regierung. Denn sowohl die SPD als auch die CDU, die in Berlin derzeit eine Große Koalition bilden, stehen vor herben Verlusten. Gleichzeitig drängt eine neue Partei ins Parlament der Hauptstadt: Die Alternative für Deutschland (AfD) liegt in den Meinungsumfragen seit Monaten über der 5-Prozent-Hürde.

Die Grünen sind derzeit drittstärkste Kraft im Parlament, müssen wohl aber auch mit Verlusten rechnen. Gleiches gilt für die Linke, die die derzeit viertstärkste Fraktion stellen. Eine weitere Veränderung dürfte es aufgrund der Piratenpartei geben. Die Internetpartei war vor fünf Jahren mit knapp 9 Prozent der Wählerstimmen ins Abgeordnetenhaus gewählt worden. In den derzeitigen Umfragen erreicht die Partei jedoch nicht einmal mehr einen Prozentpunkt.

Wenn man in Deutschland über Überversorgung im Apothekenbereich spricht, wird oft das Beispiel ‚Berlin‘ angeführt. Doch das stimmt nicht so ganz: Die Berliner Apothekendichte liegt fast exakt im Bundesdurchschnitt. Trotzdem haben Berliner Apotheker in einigen Stadtteilen einen Konkurrenten schon an der nächsten Straßenecke. Von den Berliner Parteien wollten wir daher unter anderem wissen, ob sie zur Niederlassungsfreiheit für Apotheken stehen.

Was hält die SPD von...

…der aktuellen Versorgungslage in Berlin?

SPD: Die Berliner SPD schätzt das Engagement der Berliner Apothekerschaft in der wohnortnahen Versorgung der Berlinerinnen und Berliner mit Medikamenten und dem apothekenüblichen Randsortiment. Wenngleich die Qualität der Beratung zumindest teilweise ausbaufähig erscheint, leisten die Berliner Apothekerinnen und Apotheker schon heute einen hohen Beitrag der gesundheitsorientierten Beratung und Versorgung der Berliner Bevölkerung.

…der Berliner Apothekenzahl und Apothekendichte?

SPD: Die Apothekendichte ist keinesfalls zu gering, die Verankerung im Kiez oftmals hervorragend. Es obliegt den inhabergeführten Offizinapotheken, den wirtschaftlichen Vereinigungen und Verbänden der Apotheker sowie der öffentlich-rechtlichen Körperschaft in Form der Berliner Apothekerkammer, Vorschläge zur Fortentwicklung dieses bewährten Versorgungssystems zu machen.

…dem anhaltenden Trend der Filialisierung und einem eventuellen Schutz von kleinen Apotheken?

SPD: Ziel unserer Gesundheitspolitik ist der partnerschaftliche Dialog mit allen Akteuren. Bereits in der vergangenen Legislaturperiode haben wir diesen Dialog gepflegt, beispielsweise durch die regelmäßigen Gesprächsrunden mit den Fachpolitikern. Daran werden wir anknüpfen. Eine weitere Kommerzialisierung, beispielsweise entsprechende Ideen der Aufweichung des Fremd- und Mehrbesitzverbots, sehen wir kritisch.

…der stockenden Einführung des eRezeptes?

SPD: Debatten um eine elektronisch ausgestaltete bessere Vernetzung von Gesundheitsdienstleistern sowie ggf. Patienten (Stichwort eHealth) werden wir fördern.

…neuen Abgabeformen wie Video-Automaten?

SPD: Die Dynamik ist in diesem Themenfeld groß: einerseits gibt es Treiber neuer Dienstleistungen/Produkte, andererseits Methodeninnovation der Diagnostik, aber auch der Patienten-(Selbst-)Information und Therapie. Wichtig ist, dass es einen „sicheren Marktplatz“ gibt mit bewertetem Patientennutzen und Datenschutz. Dies zu schaffen, sollte Kernaufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung sein. Letztere gilt es auf Bundesebene – mit politischer Unterstützung des Bundeslands Berlin über den Bundesrat – in Richtung einer Bürgerversicherung umzubauen.

…mehr Kompetenzen für Apotheker in der Prävention?

SPD: Wir brauchen in Berlin mehr Leidenschaft für die Gestaltung der Berliner Landesgesundheitspolitik der zuständigen Senatsgesundheitsverwaltung. Wichtig ist, dass wir zu einer an Krankheitsbildern orientierten Gesundheitspolitik kommen, die die Versorgungspfade auch patientenorientiert ausgestaltet.

Konkret: Innovativ wäre es, würde die Senatsgesundheitsverwaltung schrittweise beispielweise bei Diabetes und anderen chronischen Krankheiten akteursübergreifende Projektgruppen moderieren, die wiederum die Versorgungslandschaft skizzieren und jeweils mit allen Akteuren Ziele und konkrete Maßnahmen einleiten. Was wir brauchen, ist mehr Leidenschaft für die Gestaltung der Berliner Gesundheitspolitik.

Prävention und Gesundheitsförderung sind ein wichtiges Element unserer Landesgesundheitspolitik. Wir haben bereits in der vergangenen Legislaturperiode das „Aktionsprogramm Gesundheit“ eingeführt und werden dieses zukünftig wesentlich intensivieren. Schnittstellen zu anderen Akteuren des Gesundheitswesens, auch zu den Apotheken, werden wir dabei prüfen.

Der Charakter des Aktionsprogramms als wichtiges sozialkompensatorisches Programm verhältnisorientierter Primärprävention mit Fokussierung auf besondere Settings und Lebenslagen wird gestärkt und auch mit dem Bundespräventionsgesetz verschränkt.

Verbraucherschutz sowie Transparenz sind für uns weitere wichtige Leitplanken einer solidarischen Stadtgesellschaft.

…einer möglichen Erlaubnis für ausländische Versandapotheken, Rx-Boni zu gewähren?

SPD: Die Auswirkungen möglicher EU-Rechtsprechung zur Preisbindung apothekenpflichtiger Medikamente werden wir sorgfältig beobachten und falls nötig durch geeignete Maßnahmen flankieren.

Was hält die CDU von...

…der aktuellen Versorgungslage in Berlin?

CDU: Jede Bürgerin und jeder Bürger hat einen umfassenden Zugang zu Gesundheitsleistungen und allen medizinisch notwendigen Arzneimitteln.

…der Situation mit den Lieferengpässen?

CDU: Auf Initiative des CDU Bundesgesundheitsministers Hermann Gröhe wird eine Liste von notwendigen Arzneimitteln erstellt werden, um Lieferengpässe vermeiden zu können. Dieses Vorgehen begrüßen wir.

…der Berliner Apothekenzahl und Apothekendichte?

CDU: Im Vergleich zum ländlichen Raum gibt es in Berlin grundsätzlich eine Apothekendichte, die eine ausreichende Versorgung mit Arzneimitteln ermöglicht. Jedoch gibt es noch Potenzial nach oben – Berlin hat die niedrigste Apothekendichte der deutschen Großstädte.

…der Niederlassungsfreiheit?

CDU: Die Niederlassungsfreiheit ist ein elementares Element unseres Apothekenrechtes. Dadurch entsteht ein Wettbewerb zwischen den Apotheken, der zur Sicherung der Qualität von Beratung durchaus erstrebenswert ist.

…dem anhaltenden Trend der Filialisierung und einem eventuellen Schutz für kleine Apotheken?

CDU: Aktuell besteht auch für „Kiez-Apotheken“ ein fairer Wettbewerb, weswegen wir derzeit nicht die Notwendigkeit eines besonderen Schutzes für kleine Apotheken sehen.

…der stockenden Einführung des eRezeptes?

CDU: Digitalisierung ist ein zentrales Zukunftsfeld der Gesundheitspolitik. Im vergangenen Jahr wurde das E-Health-Gesetz verabschiedet, womit eine notwendige Telematik-Infrastruktur entstehen soll. Die digitale Vernetzung zwischen allen Akteuren der Gesundheitsversorgung stellt eine große Chance dar, den Service und die Effektivität der Gesundheitsversorgung maßgeblich zu verbessern.

…mehr Kompetenzen für Apotheker im Präventionsbereich?

CDU: Durch die Beteiligung von Apotheken an der Präventionsarbeit würde diese an Qualität und Quantität zunehmen. Jedoch eilt Apotheken oftmals der Ruf voraus, nur Geld verdienen zu wollen. Deshalb wären Modellprojekte, bei denen Apotheken die Qualität ihrer Präventionsarbeit unter Beweis stellen können, ein erster Schritt um sie in die Präventionsarbeit einzubinden und Vertrauen zu schaffen.

…mehr Kompetenzen für Apotheker, um Ärzte zu entlasten?

CDU: Apotheker sind zur Information und Beratung verpflichtet (Apothekenbetriebsordnung – ApBetrO) und bieten damit Entlastung bereits im Vorfeld eines evtl. Arztbesuchs. Dies rechtfertigt aber keine zusätzliche Vergütung, da es sich um eine rechtliche Verpflichtung handelt. Klassische Aufgaben eines Arztes sollten aber nicht durch Apotheken übernommen werden.

…neuen Abgabeformen wie etwa Video-Automaten?

CDU: Wir sind skeptisch, ob eine solche Verfahrensweise in recht dicht versorgten städtischen Strukturen überhaupt sinnvoll ist und akzeptiert würde. Auch sind diverse rechtliche Vorschriften zur Abgabe und Dokumentation gerade bei verschreibungspflichtigen Medikamenten einzuhalten. An dieser Stelle sehen wir noch Prüfungsbedarf.

Eine Videoabgabe, die das direkte Patientengespräch ersetzt, anonymisiert zudem den Kontakt zum Apotheker. Doch gerade das persönliche, vertrauensbildende Gespräch sollte nicht vernachlässigt werden, gerade wenn es um Erklärungen zu Medikamenten und ihren Neben- und Wechselwirkungen geht.

…einer verstärkten Versorgung durch Versandapotheken?

CDU: Versandapotheken sind auf dem Vormarsch und werden von den Kunden offenbar gut angenommen. Wichtig ist hierbei aber, dass eine fachlich zuverlässige Beratung erfolgt und die Regelungen für verschreibungspflichtige Medikamente beachtet werden. Dies darf bei dieser Art der Versorgung auf keinen Fall auf der Strecke bleiben.

…den Problemen mit exklusiven Zyto-Verträgen?

CDU: An erster Stelle steht eine zuverlässige und zeitnahe Versorgung der Patienten mit Zytostatika, sowohl in den Apotheken als auch auf dem Weg der Belieferung von Arztpraxen. Durch die Rabattverträge dürfen keine Situationen entstehen, die diese Versorgung gefährden. Hierauf muss genau geachtet werden, um eventuellen Missverhältnissen rechtzeitig entgegenzutreten.

…einer eventuellen Erlaubnis für ausländische Versandapotheken, Rx-Boni zu gewähren?

CDU: Die Arzneimittelpreisbindung ist ein Eckpfeiler des deutschen Gesundheitssystems. Würde die Preisbindung kippen, wäre die gesamte inländische Apothekenlandschaft bedroht. Deshalb unterstützen wir den Erhalt der Arzneimittelpreisbindung.

Was halten die Grünen von...

…der derzeitigen Versorgungslage in Berlin?

Grüne: Vereinzelte Lieferengpässe sind ein ernstzunehmendes Problem, das entschlossen angegangen werden muss. Trotzdem beurteilen wir die Gesamtsituation recht positiv: Die Versorgung durch die öffentlichen Apotheken funktioniert gut, zumindest innerhalb des S-Bahn-Rings – auch und gerade die Rund-um-die-Uhr-Versorgung durch Notdienste.

Bei der Versorgung von Geflüchteten gab es große Probleme. Zwar wurden diese inzwischen behoben, aber hier muss auch für die Zukunft Vorsorge getroffen werden. Es darf nicht sein, dass teilweise sogar lebensnotwendige Arzneimittel aus bürokratischen Gründen verwehrt bleiben.

Wir setzen uns für eine umfassende und verlässliche Arzneimittel-Versorgung aller in Berlin lebenden Menschen ein.

…der Berliner Apothekenzahl und Apothekendichte?

Grüne: Eine flächendeckende Arzneimittelversorgung durch Apotheken ist uns ein wichtiges Anliegen. Die Qualität der Versorgung ist allerdings nicht ausschließlich anhand der Menge der Apotheken bezogen auf die Bevölkerungszahl zu beurteilen. In dicht besiedelten Gebieten kann eine Apotheke mehr Menschen versorgen als in dünn besiedelten Landstrichen.

Berlin liegt mit ca. 25 Apotheken je 100.000 EinwohnerInnen in etwa im Bundesdurchschnitt. Allerdings sagt dieses wenig über die Situation in den einzelnen Wohnquartieren aus. Im Innenstadtbereich ist die Versorgung – auch mit Notdiensten – offensichtlich bedarfsdeckend. So gibt es manche Straßenzüge, in denen sich Apotheke an Apotheke reiht. Ob dies für eine gute Arzneimittelversorgung nötig ist, darüber lässt sich sicherlich diskutieren. Es ist zu hoffen, dass das große Angebot zu einem Wettbewerb um die besten Beratungsleistungen führt. In einzelnen Außenbezirken gibt es aber durchaus Lücken bei der Versorgung. Wir werden mit dem Berliner Apothekerverein in Gespräche gehen, um das zu ändern.

…der Niederlassungsfreiheit für Apotheker?

Grüne: Für uns steht im Vordergrund, dass die Patientinnen und Patienten in Apotheken gute Beratungsleistungen erhalten. Wenn so ein Wettbewerb um den besten Service entsteht, halten wir ein gesundes Maß an Konkurrenz durchaus für sinnvoll. Allerdings kann ein großes Angebot auch zu einer erhöhten und gesundheitlich nicht unbedingt notwendigen Nachfrage (insbesondere im OTC-Bereich) führen. Das ist riskant und nicht im Sinne der PatientInnen.

…dem anhaltenden Trend zur Filialisierung und dem Schutz von kleineren Apotheken?

Grüne: Wir beobachten aufmerksam die strukturellen Veränderungen in der Apotheken-Landschaft. Mit der Preisbindung ist ein wesentlicher Schutzmechanismus für kleine Apotheken bereits vorhanden. Umsatzstarke Apotheken mit mehreren Filialen können nicht mit „Kampfpreisen“ die kleinen Apotheken in Bedrängnis bringen.

Sollte es trotzdem zu einer Unterversorgung in bestimmten Stadtquartieren kommen, müssten Maßnahmen zur Stärkung der betreffenden Standorte geprüft werden. Denn wir wollen eine Stadt der kurzen Wege, gerade für alte und kranke Menschen, aber auch für Familien.

…der stockenden Einführung des eRezeptes?

Grüne: Es sind kaum sensiblere Daten als die über die Einnahme von Medikamenten denkbar. Äußerst kritisch ist zudem die korrekte Übermittlung von Wirkstoffen und Dosen. Jedes System zur elektronischen Abwicklung von Medikamentenverschreibungen muss also höchste Standards in punkto Datenschutz und Datensicherheit erfüllen.

Die bundesweite Einführung eines einheitlichen Systems, das diese Kriterien erfüllt, ist langfristig wünschenswert und wahrscheinlich. Ein wichtiger Aspekt bei der Systemumstellung sind die Kosten. Im laufenden Betrieb wird ein elektronisches System umsatzstarken Apotheken Kostenvorteile bringen. Allerdings ist mit hohen Anschaffungs- und Wartungskosten zu rechnen. Wir wollen verhindern, dass sich hierdurch die Wettbewerbssituation der kleinen „Kiez-Apotheken“ weiter verschlechtert.

…mehr Kompetenzen für Apotheker im Präventionsbereich?

Grüne: Eine gute, flächendeckende Gesundheitsberatung ist uns ein wichtiges Anliegen – gerade im Ernährungsbereich. Diese dient der Prävention und kann beispielsweise helfen, Diabetes einzudämmen. Prävention, Diagnose und Therapie müssen Hand in Hand gehen und durch qualifiziertes Personal erfolgen. Die Apothekerinnen und Apotheker spielen dabei schon heute eine zentrale Rolle. Mit ihrer fachlichen Kompetenz können sie in Zukunft eine noch stärkere Lotsenfunktion im Gesundheitssystem übernehmen.

Der Bundesgesetzgeber macht hierzu die entscheidenden Vorgaben. Unsere Bundestagsfraktion plädiert für ein modernes Gesundheitsförderungsgesetz, das für alle Bevölkerungsschichten den Zugang zu Gesundheitsberatung und Gesundheitsförderung gewährleisten soll. Wir werden in diesem Zusammenhang auch diskutieren, ob und wie die pharmazeutische Beratung als eigenständige Leistung vergütet werden kann.

…mehr Kompetenzen für Apotheker, um Ärzte zu entlasten?

Grüne: Unser vorrangiges Ziel ist, die medizinische Versorgung durch Hausärzte und Fachärzte flächendeckend zu gewährleisten und die Überlastung der Arztpraxen zu reduzieren. Die Apotheken übernehmen bei der Gesundheitsversorgung eine wichtige Rolle, indem sie die Patientinnen und Patienten umfassend beraten. Ihnen steht im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen frei, zusätzliche Services anzubieten. Diese Dienstleistungen können sich die Apotheken von den Kundinnen und Kunden vergüten lassen.

Sollte sich gesetzlicher Regelungsbedarf ergeben, so ist hier der Bundesgesetzgeber gefragt.

…neuen Abgabeformen wie einem Video-Automaten (Beispiel: Hüffenhardt)?

Grüne: Das zuständige Ministerium in Baden-Württemberg ist in diesem konkreten Fall bekanntlich zu einer negativen Einschätzung gelangt. Der bündnisgrüne Minister Lucha hat die Aufstellung des Video-Abgabeautomaten abgelehnt.

Auch in Berlin sehen wir derartige Automaten skeptisch und stimmen der Aussage des Ministeriums voll zu: „Gerade im direkten Patientenkontakt werden manche Fragen, beispielsweise zu Gegenanzeigen oder Neben- und Wechselwirkungen erst aufgeworfen. Viele moderne Arzneimittel sind zudem erklärungsbedürftig. Auch der Aspekt des persönlichen Gesprächs sollte nicht vernachlässigt werden – eine Funktion, die ein automatisches System nicht ersetzen kann.“ Angesichts der ganz überwiegend dichten Besiedlung in Berlin dürfte das Potenzial für derartige Video-Abgabeautomaten ohnehin gering sein.

…einer verstärkten Versorgung durch Versandapotheken?

Grüne: Aus unserer Sicht haben Versandapotheken in Berlin keine besonders große Relevanz, da es kaum „ländliche Räume“ gibt, in denen eine flächendeckende Versorgung durch normale Apotheken nicht gewährleistet ist. In Verbindung mit einem leistungsfähigen öffentlichen Nahverkehr kann die überwiegende Mehrheit der Berlinerinnen und Berliner die klassischen Apotheken mit ihrem persönlichen Beratungsangebot nutzen. Versandapotheken bieten allerdings beispielsweise für mobilitätseingeschränkte Menschen einen Servicevorteil.

Was hält die Linke von...

…der derzeitigen Versorgungslage?

Die Linke: Die Arzneimittelversorgung in Berlin ist in der Fläche ausreichend gut.

…der Situation mit den Lieferengpässen?

Die Linke: Ein Lieferengpass ist eine über voraussichtlich zwei Wochen hinausgehende Unterbrechung einer Auslieferung im üblichen Umfang oder eine deutlich vermehrte Nachfrage, der nicht angemessen nachgekommen werden kann. Die Gründe für Lieferengpässe sind vielfältig. Inwieweit solche Engpässe tatsächlich Auswirkungen auf die Standardversorgung mit Medikamenten haben, wird unterschiedlich beurteilt, weil in der Regel andere Hersteller wirkstoffgleiche oder ähnliche Medikamente anbieten. Unstrittig ist, dass bei kurzfristig steigendem Bedarf z.B. an Impfstoffen manifeste Versorgungsprobleme aufgetreten sind.

Sie wissen: Ein Großteil der pharmazeutischen Produktion erfolgt außerhalb Europas. Allein die langen Lieferwege verhindern, dass auf eine akut steigende Nachfrage flexibel reagiert werden kann. Ein weiteres Problem besteht in der Monopolisierung des Arzneimittelmarktes. Einige Arzneimittel werden weltweit nur noch von einem einzigen Hersteller produziert. Lösungsansätze lägen in einem verpflichtenden Meldeverfahren, mit dem die Hersteller auf drohende Probleme rechtzeitig hinzuweisen hätten. Ob die Lagerhaltung auf Vorrat bei staatlichen Stellen ein sinnvoller Ansatz sein könnte, ist im Einzelfall zu prüfen. Bei Medikamenten mit kurzem Verfallsdatum dürfte das wenig Sinn machen.

…der Berliner Apothekenzahl und Apothekendichte?

Die Linke: Die Apothekendichte erscheint uns ausreichend.

…der Niederlassungsfreiheit für Apotheker?

Die Linke: Die Niederlassungsfreiheit hat sich bewährt. Es sind die Apotheker selber, die entscheiden, ob und wo sie sich niederlassen wollen. Ggfs. wäre über die Selbstverwaltung zu klären, ob z.B. Mindestabstandsgebote aus Konkurrenzgründen zu definieren wären.

…einem eventuellen Schutz kleinerer Apotheken?

Die Linke: Ein besonderer Schutz „kleiner“ Apotheken obläge auch der Verantwortung der Selbstverwaltung durch die Apothekerkammer. Allerdings stellt sich dann schon die Frage, wie denn „kleiner“ zu definieren wäre.

…der stockenden Einführung des eRezeptes?

Die Linke: Wir können den Stand der Digitalisierung weder in den Arztpraxen noch in den Apotheken beurteilen. Sicher sind sowohl eine weitere Digitalisierung wie auch eine bessere Vernetzung im Gesundheitsbereich im Interesse der Patienten sinnvoll. Über die Art und Weise muss im Alltag der Apotheke und nicht in einem Wahlprüfstein zur Abgeordnetenhauswahl in Berlin entschieden werden.

…mehr Kompetenzen für Apotheker im Präventionsbereich?

Die Linke: Wir gehen davon aus, dass die geschilderten Aufgaben zum originären Berufsbild eines Apothekers gehören und dass diese dann auch angemessen in den Honoraren widergespiegelt werden müssen.

…mehr Kompetenzen für Apotheker, um Arztpraxen zu entlasten?

Die Linke: Nein.

…neuen Abgabeformen wie etwa einem Video-Automaten?

Die Linke: Nichts.

…einer verstärkten Versorgung durch Versandapotheken?

Die Linke: Versandapotheken helfen bei akut benötigten oder rezeptpflichtigen Medikamenten nur bedingt. Den persönlichen Kontakt halten wir für die auch immer wieder mal notwendige spontane Beratung für unabdingbar. Alternativ sollten die ortsansässigen Apotheken über Lieferdienste nachdenken.

…den Problemen mit den exklusiven Zyto-Verträgen?

Die Linke: Das Bundessozialgericht hat ein wegweisendes Urteil gefällt und darin einem Krebspatienten bei onkologischen Zubereitungen das Recht auf die freie Apothekenwahl abgesprochen, wenn solche Rabattverträge bestehen. Dazu ist eine Verfassungsbeschwerde eingereicht. Wir halten solche Rabattverträge in der Tat für problematisch und teilen die Bedenken dagegen.

…einer eventuellen Erlaubnis für ausländische Versandapotheken, Rx-Boni zu gewähren?

Die Linke: Wenn die Gesundheitsversorgung dem Spiel der freien Kräfte des Marktes ausgesetzt wird, schlägt das auch solche Kapriolen wie „Heute im Angebot dieser Apotheke“.

Was hält die Piratenpartei von...

...der derzeitigen Versorgungslage in der Hauptstadt?

Nichts. Die Piraten haben sich nicht zu den Fragen von DAZ.online geäußert.

Was hält die AfD von...

...der derzeitigen Versorgungslage in der Hauptstadt?

Nichts. Die AfD hat sich nicht zu den Fragen von DAZ.online geäußert.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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