Zytostatika-Ausschreibungen

Der ausgeschriebene Patient

Berlin - 12.09.2016, 11:00 Uhr

(Foto: benicoma / Fotolia)

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Die Entmündigung Teil 2

Dabei wird ein weiteres, für mich klares BGH-Urteil (Az.: VI ZR 108/06) aus dem Jahr 2007 sträflich missachtet. Danach ist der Patient immer dann entsprechend aufzuklären, wenn sich beim Einsatz eines Medikaments andere Risiken ergeben als bei der bisherigen Medikation – und zwar vor dessen erstem Einsatz. Nur so sei das Selbstbestimmungsrecht des Patienten in ausreichender Weise gewahrt. Nur so könne der Entstehung einer haftungsrechtlichen Grauzone vorgebeugt werde. Und nur so könne der Patient entscheiden, ob er das Risiko dieser Behandlung überhaupt eingehen wolle. Da in unserem Fall dem Patienten durch den Einsatz von Wirkstoffen jenseits der durch das Pharmazeutische Unternehmen garantierten Wirksamkeit und Unbedenklichkeit offensichtlich ein anderes Risiko zugemutet werden soll, wäre es eigentlich unumgänglich, ihn vor einer derartigen Infusion über diesen Umstand aufzuklären. Diese Aufklärung erfolgt aber in der Realität wohl kaum, da sich wahrscheinlich kein einziger Patient freiwillig mit arzneimittelrechtlich verfallenen Wirkstoffen behandeln lassen würde. Ganz im Gegenteil – man lässt den Patienten und manchmal auch den behandelnden Onkologen wohl planmäßig im Unklaren. Über das haftungsrechtliche Problem dieses Vorgehens soll hier nicht lange spekuliert werden. Aber es wäre nicht verwunderlich, wenn unter diesen Umständen die Haftpflichtversicherung bei einem möglichen Schadensfall nicht einspringen würde.

Fazit

Aus Sicht des Autors müssen Onkologen unter den gegebenen Ausschreibungsbedingungen ein erhöhtes Augenmerk auf die Haltbarkeitsangaben der gelieferten Infusionslösungen werfen. Sie sollten sich in jedem Einzelfall über die Wertigkeit der gemachten Angaben informieren lassen (liegen die angegebenen Haltbarkeiten innerhalb oder außerhalb der Fachinformation?). Und sie sollten darüber nachdenken, ob sie Infusionslösungen mit verlängerten Haltbarkeiten überhaupt einsetzen wollen (was der Autor nicht empfehlen würde). Auf jeden Fall muss der Patient vor dem Einsatz dieser Infusionen darüber aufgeklärt und gegebenenfalls sein Einverständnis entsprechend dokumentiert werden. Nur dann haftet wohl im Schadensfall die herstellende/abgebende Apotheke (mit ihrem Privatvermögen und möglicherweise ohne Haftschutz). Sollte der Patient aber eine derartige Behandlung ablehnen, so ist das sein gutes Recht – Ausschreibung hin oder her. 


Autor: 

Dr. Franz Stadler



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1 Kommentar

Entmündigung.....

von Bernd Küsgens am 12.09.2016 um 18:57 Uhr

Der Autor hat Recht!! Der Patient wird mit Hilfe von Gerichtsurteilen, unklaren Aufklärungen Entmündigt.
Als GKV-Versicherter werden die Patienten gezwungen, ihre Rechte aufzugeben.Mit Hilfe der KK, inkompetenten Anbietern
und den hilflosen Ärzten. Armes Deutschland mit willfährigen Politikern.

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