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Die Evidenzsprechstunde
Wenn „das richtige Leben“ in die Irre führt
Gleiche Voraussetzungen
Aus diesem Grund haben randomisierte kontrollierte Studien einen großen Vorteil und berechtigterweise ihre Vorrangstellung bei der Bewertung von therapeutischen Maßnahmen: Durch die zufällige Zuteilung der Patienten auf die Behandlungs- und die Kontrollgruppe ist gewährleistet, dass sowohl die bekannten als auch die unbekannten Einflussfaktoren gleichmäßig verteilt sind. Damit sind faire Ausgangsbedingungen für eine vergleichende Untersuchung geschaffen und das Risiko für ein verzerrtes Ergebnis sinkt.
RCTs: Nicht zwangsläufig künstlich
Die Randomisierung hat übrigens auch nichts damit zu tun, ob die Studie unter Praxisbedingungen abläuft und ein breites Spektrum von relevanten Patienten einschließt. Es ist sehr wohl möglich, diese Bedingungen auch mit RCTs einzuhalten. Dass es so häufig nicht passiert, hängt auch damit zusammen, dass viele RCTs im Rahmen von Zulassungsstudien durchgeführt werden, bei denen der Hersteller das Risiko minimieren will: Das betrifft vor allem das Problem, dass bei sehr unterschiedlichen Patienten die Therapieeffekte im Mittel kleiner ausfallen als bei handverlesenen Studienteilnehmern. Durch sehr strikte Auslese reduziert sich jedoch die Übertragbarkeit der Studienergebnisse in die Behandlungspraxis.
Pragmatischer Ansatz für die RCTs
Es geht jedoch auch anders: In den letzten Jahren wurde vermehrt diskutiert, wie RCTs die Praxisbedingungen besser abbilden können. Unter dem Stichwort „pragmatic RCT“ haben Fachleute eine ganze Reihe von Vorschlägen entwickelt. Wichtig zu wissen: Dabei wird das Prinzip der Randomisierung wegen der beschriebenen Vorteile nicht aufgegeben, sondern lediglich die Rahmenbedingungen der klinischen Prüfung so verändert, dass sie besser dem Alltag entsprechen.
Holzweg Express-Zulassung
Wegen der beschriebenen Zusammenhänge sind die Pläne der europäischen Arzneimittelagentur EMA zur Beschleunigung der Zulassung („adaptive pathways“) höchst bedenklich, wie viele Experten zu Recht bemängeln. Dabei sollen Arzneimittel die Zulassung bereits auf der Basis von weniger Daten aus RCTs als bisher erhalten. Im Gegenzug soll weiterer Erkenntnisgewinn aus „real world data“ dazu kommen. Welche Konsequenzen das haben kann, machten auch Beiträge bei einem Symposium des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) im letzten Herbst deutlich.
Gefahr: Übertriebener Effekt
Sehr aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang auch eine Analyse, die die Effekte auf die Mortalität in Studien mit „real world data“ mit denen von späteren RCTs verglich, die die gleiche Therapie untersuchten. Dabei stellten die Autoren fest, dass die Studien mit Versorgungsdaten die Auswirkungen der Behandlung auf die Sterblichkeit im Durchschnitt um rund 30 Prozent überschätzen. Deshalb warnen sie davor, sich bei Therapieentscheidungen auf Studien mit „real world data“ zu verlassen.
Fazit
RCTs schaffen nicht automatisch eine künstliche Umgebung,
die mit dem richtigen Leben nichts zu tun hat. Sie sorgen vielmehr für faire
Ausgangsbedingungen für den Vergleich von Therapien – und das ist ein
wesentlicher Vorteil gegenüber Beobachtungsdaten. Das „wirkliche Leben“ kann
also manchmal auch massiv in die Irre führen.
4 Kommentare
Beobachtungsstudien, Adaptive Studien und RCTs: Chancen für zukünftige Herausforderungen
von Janick Weberpals am 13.09.2016 um 11:01 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: Beobachtungsstudien, Adaptive Studien
von Dr. Iris Hinneburg am 17.10.2016 um 8:37 Uhr
Studien
von J. Barth am 12.09.2016 um 9:12 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: Studien
von Dr. Iris Hinneburg am 17.10.2016 um 8:39 Uhr
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