Arzneimittelpreise in den USA

Aktivist macht gegen Pharmaindustrie mobil

Berlin - 09.09.2016, 17:00 Uhr

Preise runter! Der US-Aktivist Michael Weinstein setzt sich dafür ein, dass die staatlichen Versicherungsprogramme in den USA Arzneimittel günstiger erhalten. (Foto:dpa)

Preise runter! Der US-Aktivist Michael Weinstein setzt sich dafür ein, dass die staatlichen Versicherungsprogramme in den USA Arzneimittel günstiger erhalten. (Foto:dpa)


Im November stimmen die Einwohner des US-Bundesstaates Kalifornien über eine Absenkung der Arzneimittelpreise ab. Siegen die Befürworter, könnte dies die Preise im ganzen Land unter Druck setzen. Der Mann dahinter: Michael Weinstein, ein Aktivist, der polarisiert und schon viele Kämpfe ausgetragen hat. Die Pharmaindustrie hält dagegen.

Die Stimmung in der US-Bevölkerung ist inmitten des kontroversen Präsidentschaftswahlkampfes ohnehin aufgeheizt. In diesem Umfeld begibt sich der Verfechter bezahlbarer Arzneimittel, Michael Weinstein, in einen seiner bislang härtesten Kämpfe: Am 8. November werden die Kalifornier nicht nur über den künftigen US-Präsidenten mitentscheiden, sondern auch über eine Initiative namens „Proposition 61“ abstimmen. Die hat zum Ziel, die Arzneimittelpreise für einen Teil der Bevölkerung deutlich zu senken. Konkret geht es darum, dass staatliche Krankenversicherungsprogramme in Kalifornien für Arzneimittel künftig niedrigere Preise bezahlen sollen. Geht die Initiative durch, sollen die Versicherungsprogramme den gleichen – niedrigeren – Preis zahlen wie das US-Veteranenministerium, das für Leistungen an Veteranen, deren Familien und Hinterbliebene zuständig ist.

Welche Auswirkungen ein Ja auf die Kassen Kaliforniens wie auch für die Patienten haben könnte, wird nach Angaben des Brancheninformationsdienstes Statnews derzeit heftig diskutiert. Aktuell sei lediglich einer von sechs Kaliforniern über das staatliche Krankenversicherungswesen versichert, so das Medium. Die Preissenkungen hätten damit keinen direkten Einfluss auf die Preisgestaltung anderer Versicherungen. Allerdings könnten sie eine Vorbildfunktion haben und somit indirekt die künftige Erstattungspolitik in Kalifornien und den USA beeinflussen. Somit geht es möglicherweise um viel Geld. Ist die Initiative erfolgreich, könnte dies die Pharmaindustrie in den USA Milliarden kosten, mutmaßen Experten.

Weinstein scheut keinen Konflikt

Im Zentrum des Geschehens steht dabei Michael Weinstein, 63 Jahre, schlank, Aktivist und seit über 20 Jahren mit einem Mann verheiratet. Er hat die Nonprofit-Organisation AIDS Healthcare Foundation (AHF) gegründet, die Kliniken in verschiedenen Regionen der Welt unterhält; er hat sich lange als Aids-Aktivist betätigt; und er scheut keinen Konflikt mit der Pharmaindustrie. Weinstein hat Pfizer wegen dessen Marketingmethoden und Gilead Sciences wegen Patentfragen verklagt. Auch mit der mächtigen kalifornischen Pornoindustrie hat es Weinstein in der Vergangenheit bereits aufgenommen. Dabei hat er mal gewonnen, mal verloren. Vor allem aber hat er eine Menge Kritik auf sich gezogen, vor allem wenn es um Schwule ging. Weinstein, so der Vorwurf, habe sich stets geweigert, dass diese Personengruppe eine Präexpositionsprophylaxe (PrEP) einnehmen solle, um sich und andere vor einer HIV-Infektion zu schützen.

Weinstein geht nicht zimperlich vor. Statnews zitiert den US-HIV-Aktivisten Michael Emanuel Rajner, der Weinstein einmal getroffen habe, mit den Worten: „Ich fühlte mich, als würde ich neben Satan stehen.“ Kritiker bezeichnen ihn auch schon mal als Gangster und Tyrannen. Selbst Mitstreiter werfen Weinstein und seiner Organisation vor, die Meinung anderer zu ignorieren und Konsenslösungen abzulehnen.

Aktuell bezeichnet Weinstein die Preisgestaltung bei Arzneimitteln als eines der großen Themen unserer Zeit. Seiner Ansicht nach verursachen hohe Preise Leid bei denjenigen, die sich wichtige Präparate nicht leisten können. Für die aktuelle „Yes“-Kampagne zur Senkung der Preise in Kalifornien hat seine Stiftung deshalb einen Großteil der zur Verfügung stehenden 9,5 Millionen Dollar aufgebracht. Mit Senator Bernie Sanders und dem Bürgerrechtler Al Sharpton hat er außerdem prominente Unterstützer gefunden.

Pharmaindustrie investiert Milliarden, um dagegen zu halten

Kein Wunder, dass auch die Pharmaindustrie gegen Weinstein und dessen jüngste Initiative mobil macht. Tom Norton, ein Berater der Pharmaindustrie, sieht in einem möglichen „Ja“ ein drohendes Preis-Desaster für die US-Arzneimittelhersteller aufziehen. Die Branche sei alarmiert, weil der Fall möglicherweise Zeichen setze. Als Bedrohung sieht die Industrie auch die Bestrebungen, die Preise kontrollieren zu wollen.

Angeführt von Merck und Pfizer hat die Branche rund 87 Millionen Dollar aufgebracht, um ihre „No“-Argumente unters Volk zu bringen. Dabei wissen die Unternehmen auch die California Medical Association und mehrere Patientenorganisationen hinter sich, von denen einige Geld von der Pharmaindustrie erhalten haben sollen. „Proposition 61” ist damit laut Stat die teuerste Einzelkampagne in Kalifornien in den vergangenen Jahren. Nur im Jahr 2005 habe die Pharmaindustrie noch mehr Geld, nämlich 135 Millionen Dollar, in die Runde geworfen, um die Wähler bei der Frage von Preisnachlässen für Arme von ihren Argumenten zu überzeugen.

Geschenk für die Befürworter

Normalerweise sollten so viele Millionen ausreichen, um die Prop-Initiative ins Leere laufen zu lassen. Doch der Erfolg der Pharmaindustrie ist keinesfalls sicher. Denn die Preistreiberei von Martin Shkreli und die aktuellen Diskussionen um die Kosten des Adrenalin-Autoinjektors Epipen spielen den Preiskritikern in die Hände. „Mit ihren Kostensteigerungen in diesem und im vergangenen Jahr hat die Pharmaindustrie der Kampagne ein Geschenk gemacht“, zitiert Statnews den Leiter der Yes-Kampagne, Garry South. Und Adams Dudley, Direktor des Center for Healthcare Value an der Universität von Kalifornien, meint: „Ohne Martin Shkreli und Epipen hätte Prop 61 keine Aussicht auf Erfolg gehabt.“

Die Pharmaindustrie hält mit dem Argument dagegen, dass der Ausgang der Befragung den meisten Einwohnern Kalifornien nichts nutzen werde, da sie Mitglieder anderer Krankenversicherungen seien. Die Preisinitiative gaukele zudem eine Lösung lediglich vor. Darüber hinaus greifen die No-Anhänger Weinstein direkt an und bezweifeln dessen Integrität. In Pressemitteilungen wird die angebliche „Wahrheit über Michael Weinstein“ und dessen Stiftung verkündet. So wird ihm vorgeworfen, dass seine Organisation von einem Yes-Votum profitieren würde. Darüber hinaus weisen die Kritiker darauf hin, dass die Stadt Los Angeles AHF auf Zahlung von fünf Millionen Dollar verklage, die die Stiftung durch zu hohe Einnahmen für medizinische Services eingenommen habe. In jedem Fall wird der 8. November ein spannender Tag – auch für die US-Gesundheitsbranche.



Thorsten Schüller, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


1 Kommentar

Endlich einer, der es mit der Pharmaindustrie aufnimmt

von Mia888 am 05.10.2018 um 13:35 Uhr

Von solchen Menschen sollte es mehr geben. Respekt für seine Arbeit als Aktivist. Das sind Menschen, die etwas bewegen. Klar, dass man ihn hier als Tyrannen und dergleichen bezeichnet, kann mir denken woher das kommt. Weiter so!

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.