Kommentar zur Kampfkandidatur 

Widerstand unterschätzt, Probleme kleingeredet

Berlin - 08.09.2016, 17:30 Uhr


Schmidt hat viele Zeichen nicht wahrgenommen

Der Präsident dieser Standesorganisation hätte solche Signale früher wahrnehmen und Versuche unternehmen müssen, aus Uneinigkeit wieder Einigkeit zu machen. Davon war aber nichts zu spüren. Ganz im Gegenteil. Nach diesen ganzen Vorfällen gab Schmidt der Pharmazeutischen Zeitung ein Interview, über das bis heute Verwunderung in der Branche herrscht. Das Verhältnis zwischen ABDA und den Mitgliedsorganisationen habe sich „deutlich verbessert“, hieß es dort. Man habe insbesondere das Vertrauen der Kammern zurückgewinnen können. Siemsens Kandidatur ist nur ein Beleg dafür, dass diese Behauptung mehr als optimistisch ist. Hört man sich in den Kammern um, haben viele immer noch Bauchschmerzen mit dem Kurs der ABDA und ihrem Präsidenten.

Nicht selten geht es bei diesen Bauchschmerzen auch um Schmidts persönliche Führungsqualitäten. Ebenfalls in dem PZ-Interview erstaunte Schmidt beispielsweise mit der Aussage, dass das ABDA-Präsidentenamt durch ihn nicht mehr so „präsidial“ sei, wie es früher einmal war. Mal ganz davon abgesehen, dass sich Heinz-Günter Wolf in dieser Formulierung nicht unbedingt wiederfinden dürfte, widerspricht Schmidt seinen eigenen Aussagen. In einem Interview mit dem Branchendienst Apotheke Adhoc hatte er vor seinem Amtsantritt gesagt, er wolle zu einer „Identifikationsfigur“ möglichst vieler Kollegen werden. 

Schmidt, der immer wieder auch als Moderator im Fernsehen auftritt, sagte gegenüber Apotheke Adhoc, dass Inszenierung zum politischen Geschäft gehöre. Je besser man seinen Beruf verkörpere, desto besser werde man von der Politik und den Medien wahrgenommen. Und: „Sie können die großen Themen nicht angehen, wenn sie in den Niederungen des Alltags gefangen sind.“ Klingt so ein nicht-präsidialer Präsident?

Selbst wenn Schmidt die Wahl gewinnt, sollten er und die ABDA aus dieser Geschichte lernen. Als Präsident ist es nicht leicht, immer auf alle Wünsche der 34 Mitgliedsorganisationen gleichmäßig einzugehen. Trotzdem sollte Schmidt den Berliner Elfenbeinturm des Öfteren auch mal verlassen, um in die Tiefen der ABDA hinein zu hören, um Krisenherde möglichst früh zu erkennen und zu löschen.

Selbst wenn er aus politisch-strategischen Gründen nicht auf einzelne Forderungen eingehen will oder kann, sollte die ABDA-Spitze offener, transparenter und ehrlicher mit den Apothekern und ihren Mitgliedern kommunizieren. Denn Intransparenz führt zu Ausgrenzungsgefühlen, und Ausgrenzung führt zu Protestverhalten. Und genau aus diesem Grund wird es bei der diesjährigen ABDA-Wahl auch zum ersten Mal seit Jahrzehnten eine Kampfkandidatur um das Präsidentenamt geben.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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8 Kommentare

Nichterkennen

von Reinhard Rodiger am 08.09.2016 um 23:42 Uhr

Kompensatorischer Höhentrieb ersetzt eben keine valide Basis. Wer die Achtung für die heutige Alltagsleistung nicht vermitteln kann oder will, darf sich nicht wundern.
Da muss vom Kopf auf die Füsse gestellt werden. Da ist jetzt Hoffnung.

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Verblendung

von gabriela aures am 08.09.2016 um 20:26 Uhr

Ich würde nicht sagen "Widerstand unterschätzt" sondern vielmehr "vom eigenen Glanz verblendet".

Im Übrigen wurde das PP 2030 nach monatelangem Kreißen ja beim DAT 2014 verabschiedet - was das Podium zu Tränen gerührt hat.
Also satte SECHZEHN Jahre Vorlaufzeit, von denen 2 bereits ohne nennenswerte Ergebnisse verstrichen sind. Außer man wertet es als Erfolg, daß Medikationsanalyse und - management als kostenloses Angebot jetzt bereits im Berufsbild verkündet werden.

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Politik muss ihre Handlungsweisen erklären

von Andreas P. Schenkel am 08.09.2016 um 19:03 Uhr

Friedemann Schmidt und die ABDA haben ein sehr ähnliches Problem wie die Bundesregierung: Die Führungsspitze erklärt ihre Politik fast gar nicht. Und wenn etwas verlautbart wird, hinterlässt es im besten Fall noch ein Gefühl der Verwirrung im Sinne von "Was wollte man uns jetzt damit sagen?". Und manchmal schmeckt auch ein fahler Anschein der Enttäuschung durch nach so mancher uninspirierender Äußerung, bis hin zu entsetzem Erstaunen: Die einen sagen "Wir schaffen das", wider besseren Wissens, die anderen reden von "Buden" und "Larmoyanz" und bieten in ihrer Schlösschen-"Bude" ein Programm zwischen Komödie und Tragödie. Allerdings oft pantomimisch oder in der Art eines Stummfilms, leider ohne Klavierbegleitung. Führung geht anders!

In beiden Organisationen wurden Visionen angetäuscht und allsbald planmäßig in Bürokratie-Sprech erstickt, alles vertagt auf 2030. Wer in der Apothekerei Visionen hat, der soll nicht zum Arzt gehen, um sie zum Verschwinden zu bringen, aber der muss die Ärzteschaft in die visionären Betrachtungen einbeziehen, denn jene sind die Schlüsselfigur der medizinischen Versorgung im Gesundheitswesen.

Zumindest was die ABDA betrifft, ist es gut, dass eine Alternative heraufdämmert. Unruhige Zeiten, laute Stürme gar, benötigen Standfestigkeit und Beweglichkeit zugleich, Übersicht und eine laute Stimme, Fähigkeit zur Analyse der Situation und klare, deutliche Kommunikation. So bekommt ein Kapitän sein Schiff und die Mannschaft durch schwere See. Ahoi, Käpt'n Siemsen, ich hoffe, Sie werden bald unser neuer Admiral!

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Chapeau!

von Gunnar Müller, Detmold am 08.09.2016 um 18:39 Uhr

Allein die Kandidatur hat doch schon etwas Leben in die Sache gebracht......

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Die Hoffnung...

von Thorsten Dunckel am 08.09.2016 um 18:37 Uhr

... stirbt bekanntlich zuletzt!

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Frischer Wind?

von Ulrich Ströh am 08.09.2016 um 18:12 Uhr

Norddeutsche Gelassenheit mit entsprechender Staturstandfestigkeit sind sicherlich von Vorteil beim Kollegen Siemsen.
Damit kann er auch seine alte Idee der Nordkammer wieder beleben,also bundesweit 4 statt 17 Kammern.
Und er kann dafür sorgen,daß Apotheker politisch wahrnehmbarer werden.
Kommt jetzt frischer Wind auf?

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AW: Welcher Wind?

von Reinhard Rodiger am 08.09.2016 um 21:54 Uhr

Besteht die Chance, dass die richtigen Fragen gestellt werden?

AW: Es besteht....

von gabriela aures am 08.09.2016 um 22:25 Uhr

...zumindest die Chance, daß dieser unsagbare Kusch(el)kurs ein Ende hat. Sonnenkönig war gestern .

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