Beratungs-Quickie

Opipramol gegen Angstattacken

München - 08.09.2016, 11:30 Uhr

Herzrasen, Atemnot und Schwindel: Typische Symptome einer Panikattacke. Menschenmengen können der Auslöser sein. (Foto: estherpoon / Fotolia)

Herzrasen, Atemnot und Schwindel: Typische Symptome einer Panikattacke. Menschenmengen können der Auslöser sein. (Foto: estherpoon / Fotolia)


Welche Informationen sind bei einem Beratungsgespräch in der Apotheke für den Patienten wichtig? Welche hilfreichen Tipps kann der Apotheker zu Arzneimitteln und Therapien geben? Im Beratungs-Quickie stellen wir jeden Donnerstag einen konkreten Patientenfall vor. Diesmal geht es um eine Verordnung über das Antidepressivum Opipramol für eine Frau, die unter Angstattacken leidet.

Formalien-Check

Die Kundin löst ihr Rezept einige Tage nach der Ausstellung ein. Sie bekommt das Arzneimittel zum ersten Mal verordnet. Seit mehreren Wochen leidet sie unter seltsamen Angstattacken. Vor allem abends und nachts überkommen sie Panikattacken oder auch wenn zu viele Leute um sie herum sind, wie zum Beispiel beim Einkaufen.

Verordnet sind 50 Filmtabletten Opipramol beta® 50 mg unter Angabe der Pharmazentralnummer. Das Rezept ist vollständig und eindeutig. Der fehlende Status muss nicht nachgetragen werden. Das verordnete Präparat ist außer Vertrieb. Prinzipiell dürfen Restbestände (Lagerware) abverkauft werden, solange das Produkt zu dem Zeitpunkt noch „verkehrsfähig“ ist. Im aktuellen Fall ist jedoch die N2-Packung eines Rabattpartners abzugeben, da die Ärztin den Aut-idem-Austausch nicht ausgeschlossen hat.

Die von der Ärztin angegebene Dosierung von „zwei Tabletten zur Nacht“ ist auf die Packung zu übertragen.

Die Kundin ist gebührenpflichtig. Ab Ausstellungsdatum ist die Verordnung einen Monat gültig.

Beratungs-Basics

Opipramol zählt zu den trizyklischen Antidepressiva. Im Gegensatz zu den meisten übrigen Vertretern dieser Gruppe, hemmt Opipramol nicht die Wiederaufnahme von Serotonin und Noradrenalin aus dem synaptischen Spalt. Die Substanz wirkt antagonistisch an histaminergen, serotonergen, dopaminergen und α-adrenergen Rezeptoren. Die Effekte von Opipramol sind sedierend, angstlösend und stimmungsaufhellend. Opipramol ist indiziert bei (depressiven) Verstimmungszuständen, die mit Angst, Anspannung, Unruhe und Schlafstörungen einhergehen (generalisierte Angststörungen und somatoforme Störungen).

Die volle antidepressive Wirkung setzt erst nach circa zwei Wochen ein, die anxiolytische Wirkung früher. Gerade zu Beginn der Behandlung ist eine erhöhte Suizidgefahr zu beachten.

Die Hauptdosis sollte aufgrund des Wirkprofils von Opipramol bevorzugt abends gegeben werden, wie hier verordnet. Die Dosis ist vom Arzt individuell für jeden Patienten festzulegen. Ob die Patientin später zusätzlich morgens und/oder mittags eine Dosis einnehmen muss, wird der Verlauf zeigen. 

Die maximal empfohlene Dosierung beträgt dreimal täglich 100 mg Opipramol. Bei älteren Menschen ist gegebenenfalls eine Dosisreduktion notwendig.

Die Kundin soll die zwei Filmtabletten unzerkaut nach dem Abendessen einnehmen. Und zwar regelmäßig jeden Tag. Ihr Befinden wird sich dann von Tag zu Tag bessern. Sie ist auch darauf hinzuweisen, rechtzeitig einen Kontrolltermin bei ihrer Ärztin zu vereinbaren, um unter Umständen die Dosierung anzupassen oder ein Folgerezept zu erhalten. Die verordnete Packung reicht ihr für fünfundzwanzig Tage. Die durchschnittliche Behandlungsdauer beträgt ein bis zwei Monate.

Vor allem zu Beginn der Behandlung können als unerwünschte Wirkungen Mundtrockenheit, eine verstopfte Nase, niedriger Blutdruck und Müdigkeit auftreten. Sie sind kein Grund, die Therapie vorzeitig abzubrechen. Die typischen anticholinergen Nebenwirkungen bessern sich meist im Verlauf der Therapie. Eine Gewichtszunahme tritt lediglich gelegentlich auf.

Auch noch wichtig

Opipramol hat kein (bekanntes) Abhängigkeitspotenzial. Trotzdem darf das Arzneimittel nicht plötzlich abgesetzt werden, da das zu Unruhe, Schweißausbrüchen, Schlafstörungen und Übelkeit und Erbrechen führen kann.

Bei der Behandlung mit anderen Arzneimitteln in der Selbstmedikation oder nach ärztlicher Verordnung sind mögliche Wechselwirkungen zu beachten. Es ist nicht sinnvoll, dass sich die Patientin mit weiteren Schlaf- oder Beruhigungsmitteln eindeckt. Vielmehr besteht bei gleichzeitiger Anwendung von H1-Blockern (wie Diphenhydramin) und Opipramol ein erhöhtes Risiko für ventrikuläre Tachykardien. 

Auf alkoholhaltige Getränke sollte die Kundin während der Behandlung möglichst verzichten. Alkohol würde die sedierende Wirkung verstärken und dadurch beispielsweise die Sturzgefahr erhöhen. Auch durch die gleichzeitige Einnahme anderer Anticholinergika ist eine Wirkungsverstärkung möglich.

Bei vorheriger Einnahme von MAO-Hemmern muss unbedingt ein Abstand von zwei Wochen eingehalten werden, da sonst die Gefahr eines Serotonin-Syndroms (Verwirrtheit, Schwitzen, Übelkeit, Blutdruckabfall) besteht.

Opipramol kann das Reaktionsvermögen beeinträchtigen. Das ist vor allem im Straßenverkehr zu berücksichtigen.

Bei Langzeitanwendung sind die Leberwerte vom Arzt zu kontrollieren.

Darf´s ein bisschen mehr sein?

•    Zu Behandlungsbeginn ist die Linderung der anfänglich auftretenden Nebenwirkungen des Opipramols wichtig: Gegen Mundtrockenheit können Lutschtabletten wie Emser® Salz-Pastillen oder Panthenoltabletten (Panthenol Jenapharm®) helfen. Auch der Einsatz von befeuchtenden Mund- und Rachensprays ist denkbar.

•    Gegen den eventuell niedrigen Blutdruck ist eine vorübergehende Einnahme von Korodin® Tropfen empfehlenswert. Auch kalte Wechselduschen und moderate Bewegung bringen den Kreislauf in Schwung.

•    Bei Angstattacken sind psychotherapeutische Maßnahmen über einen längeren Zeitraum und das Erlernen von Entspannungsmethoden sinnvoll.

Die Kundin seufzt. Hoffentlich helfe ihr das Medikament bald. Sie leide schon sehr unter diesem Zustand. Ihr Mann hingegen weniger. Er vertrete die Meinung, es habe ja auch sein Gutes, wenn sie mal eine zeitlang nicht so viel zum Shoppen gehe. 



Manuela Kühn, Apothekerin
redaktion@daz.online


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