Hamburg

Apothekerkammer will wegen möglichen Betrugsfällen ermitteln

Hamburg - 29.08.2016, 17:55 Uhr

Illegale Kick-Back-Zahlungen für rabattierte Arzneimittel in Hamburg? Eine Apothekerin und zwei Geschäftsleute werden verdächtigt. (Foto: JackF / Fotolia)

Illegale Kick-Back-Zahlungen für rabattierte Arzneimittel in Hamburg? Eine Apothekerin und zwei Geschäftsleute werden verdächtigt. (Foto: JackF / Fotolia)


Nachdem die Polizei Hamburg vergangene Woche fünf Apotheken durchsuchte, will die dortige Apothekerkammer demnächst berufsrechtliche Ermittlungen aufnehmen. Möglicherweise ist sie indirekt selbst betroffen – nach Informationen von DAZ.online wird auch ein ehemaliger Vorstand des gewerbsmäßigen Betrugs verdächtigt.

Am vergangenen Dienstag durchsuchten 66 Polizisten die Räume von fünf Apotheken in Hamburg sowie Wohn- und Geschäftsräume von Pharmahändlern. Sie verdächtigen eine Apothekerin und zwei Geschäftsführer des gewerbsmäßigen Betrugs: Die beiden Geschäftsführer zweier Firmen sollen von verschiedenen Herstellerfirmen Arzneimittel im großen Umfang und mit erheblichen Rabatten zwischen zehn und 60 Prozent erworben haben. Diese rabattierten Produkte lieferten die beiden Beschuldigten nach Polizeiangaben an verschiedene Apotheken, unter anderem jene der Beschuldigten – und stellten den normalen Listenpreis in Rechnung.

Seit Januar 2013 sollen sie Krankenkassen geschädigt haben, indem sie die Differenz zwischen dem Rabatt- und Listenpreis rechtswidrig an die Apotheken als Bonuszahlungen rückvergütet haben.

Kammer will Ermittlungen aufnehmen

Die Apothekerkammer Hamburg kenne die Anschuldigungen zu diesen Kick-Back-Zahlungen bisher nur aus der Presse, erklärte Apothekerkammerpräsident Kai-Peter Siemsen gegenüber DAZ.online. Die Namen der Beschuldigten seien dort nicht klar ersichtlich. Der Vorstand werde am 6. September zu seiner nächsten Sitzung zusammentreten und dann voraussichtlich ein berufsrechtliches Ermittlungsverfahren gegen unbekannt eröffnen, erwartet Siemsen.

Da die Kammer selbst keine polizeilichen Vollmachten hat, werde sie die Staatsanwaltschaft und Gesundheitsbehörde um Informationen bitten. „Erfahrungsgemäß wird der Antrag mit Hinweis auf die laufenden Ermittlungen zurückgestellt“, erklärt Siemsen. Die Kammer erhalte die nötigen Unterlagen für ein berufsrechtliches Verfahren dann erst, wenn die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen abgeschlossen habe.

Derartige Verdächtigungen seien immer sehr ungünstig, sagt der Kammerpräsident. „Wenn die schwarzen Schafe in die Presse kommen, stehen auch die weißen im schlechten Licht“, sagt er. 

Ist die Kammer indirekt betroffen?

Nach Informationen von DAZ.online könnte der Fall besonders brisant werden: Bei der verdächtigten Apothekerin soll es sich um ein ehemaliges Mitglied des Kammervorstands handeln. Siemsen war hierzu nichts bekannt, die betreffende Person war auf Nachfrage von DAZ.online nicht erreichbar.

Bei den Arzneimitteln soll es sich um Zytostatika und andere hochpreisige Produkte handeln, die nicht der Arzneimittel-Preisverordnung unterliegen.

Höhe des Schadens ist noch unbekannt

Gegenüber DAZ.online bezeichnete der Präsident des Apothekervereins Hamburg, Jörn Graue, die Vorwürfe als „höchst unangenehm“. Die wenigen Angaben, die von der Polizei und Staatsanwaltschaft Hamburg veröffentlicht wurden, ließen einen breiten Spekulationsraum. „Doch solange es nicht zu einer Verurteilung kommt, gilt die Unschuldsvermutung“, erklärt er. Leider gäbe es Problemfälle in allen Branchen – doch es sei „happig“, dass aktuell verschiedene Verdächtigungen gegen Hamburger Apotheker im Raum stünden.

Wie groß der Schaden durch den aktuellen, möglichen Betrugsfall für die Krankenkassen ist, ist laut Polizei noch unbekannt. Insgesamt sind laut Polizei 13 Häuser und Wohnungen in Hamburg wie auch Geschäftsräume in Bayern durchsucht worden. „Die Beamten stellten allein in Hamburg circa 150 Aktenkartons sowie Datenträger sicher“, erklärt die Pressestelle in einer Mitteilung. Die Auswertung der Unterlagen wird sich wahrscheinlich über Monate erstrecken.



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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