Günstige Alternative

Forscher will Bein-Prothesen aus Plastikmüll entwickeln

Nürnberg - 23.08.2016, 10:45 Uhr

Eine Alternative zur bisherigen Prothesenherstellung: Forscher wollen sie zukünftig aus recyceltem Material drucken. (Foto: maewthitiwat / Fotolia)

Eine Alternative zur bisherigen Prothesenherstellung: Forscher wollen sie zukünftig aus recyceltem Material drucken. (Foto: maewthitiwat / Fotolia)


Recycelte Plastikbecher sollen zu Prothesen werden

Und auch bei der zweiten Idee – dem Recycling von Plastikbechern – sind noch Hürden zu nehmen. Das Druckmaterial – Filament genannt – ist im Einkauf teuer: Die Kunststoffschnüre kosten pro Kilo 15 bis 20 Euro. Daher kam Zagel auf die Idee, kompostierbare Kunststoffbecher aus Polymilchsäure (PLA) zu zerkleinern und weiterzuverarbeiten. Die dafür nötigen kleinen Häcksler und einen sogenannten Extruder musste er lange suchen, denn diese Geräte gibt es fast nur im industriellen Großformat. Im rund 4000 Euro teuren Extruder werden die Plastikteile geschmolzen und in Schnur-Form gebracht.

Noch in diesem Jahr will Zagel seine Prothesen mit den ersten Testern ausprobieren. Im nächsten Jahr soll es erste Prothesen für Patienten geben. Im Moment fehlen vor allem noch Geldgeber. Zagel möchte daher unter anderem eine Crowdfunding-Initiative auf den Weg bringen. Irgendwann soll seine Prothese nur noch um die zehn Euro kosten.

Der 34-Jährige und sein Team sind nicht die einzigen, die Prothesen aus dem 3D-Drucker testen. Auch Handicap International (HI) arbeitet an solchen Lösungen. Die Vorteile liegen für Jérôme Canicave auf der Hand. Er ist Projektmanager für Orthopädietechnik bei der Hilfsorganisation. Seiner Ansicht nach kann das mobile Scannen und computergestützte Design die Abläufe bei der Versorgung von Menschen mit Prothesen in Entwicklungs- und Krisenländern deutlich effizienter machen – es könne gar einen Paradigmenwechsel einleiten, durch den deutlich mehr Menschen geholfen werden kann.

Einsatz direkt vor Ort

„Anstatt die Menschen zum Rehabilitationszentrum kommen zu lassen, können Spezialisten die Gliedmaße scannen und die Daten zu den 3D-Design- und Druck-Technikern schicken“, sagt Canicave. Bisher genutzte einfache Prothesen kosteten im Schnitt um die 150 Euro.

HI macht auch eine Pilotstudie zu dem Thema in Togo, Madagaskar und Syrien. Hier arbeiten auch Experten für Physiotherapie sowie Wissenschaftler und Firmen, die sich auf 3D-Druck spezialisiert haben. Ein Unternehmen in Europa übernimmt den Prothesen-Druck. Im Moment fallen daher zwar noch Transportkosten an, aber Canicave ist zuversichtlich, dass 3D-Drucker bald auch in Entwicklungsländern eingesetzt und die Kosten dadurch reduziert werden können.

Im Oktober soll ein Bericht veröffentlicht werden, der die Vorteile und die Probleme der Technik aufzeigt. Der Bedarf an günstigen Prothesen sei jedoch groß: Schätzungen nach brauchten 0,5 Prozent der Weltbevölkerung eine Prothese oder Orthese, die ein Körperteil entlastet oder stützt. Doch weniger als 20 Prozent der Betroffenen in Entwicklungsländern habe Zugang zu angemessener Hilfe.



dpa / DAZ.online
redaktion@daz.online


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