Telemedizin in Baden-Württemberg

Ja zu Ferndiagnosen – Nein zur Video-Apotheke

23.08.2016, 11:15 Uhr

Nur eins von beiden: Baden-Württembergs Sozialminister Manne Lucha (Grüne) will die Ärzte bei ihren Video-Diagnosen unterstützen, nicht aber DocMorris mit der Video-Apotheke. (Foto:dpa)

Nur eins von beiden: Baden-Württembergs Sozialminister Manne Lucha (Grüne) will die Ärzte bei ihren Video-Diagnosen unterstützen, nicht aber DocMorris mit der Video-Apotheke. (Foto:dpa)


In Sachen „Telemedizin“ passiert derzeit viel in Baden-Württemberg: Die Ärzte wollen künftig auch via Internet diagnostizieren und DocMorris baut einen Video-Abgabeautomaten. Das grün geführte Sozialministerium, das die Telemedizin im Land eigentlich ausbauen möchte, will aber nur eines der beiden Projekte unterstützen.

Die neue grün-schwarze Landesregierung lässt in ihrem Koalitionsvertrag wenig Interpretationsspielraum bei der Telemedizin: Grüne und CDU haben versprochen, telemedizinische Angebote zu unterstützen und auszubauen. Dabei solle der Datenschutz für die Patienten im Vordergrund stehen, heißt es im Koalitionsvertrag. Man wolle eine Strategie zum Ausbau der Telemedizin vorlegen und im Rahmen von Modellprojekten erproben, wie „digitale Infrastruktur und Gesundheitsversorgung“ für Patienten zusammengeführt werden können.

Die von der Landesärztekammer Baden-Württemberg und der niederländischen Versandapotheke DocMorris angetriebenen Telemedizin-Projekte müssten dem Grünen-Minister Manne Lucha also eigentlich gefallen. Die Mediziner hatten im Juli eine Änderung ihrer Berufsordnung beschlossen, nach der Fernbehandlungen im Rahmen von Modellprojekten und nach Zustimmung der Kammer grundsätzlich möglich sein sollten – auch ohne direkten Erstkontakt zwischen Arzt und Patient. Diese Nachricht kam durchaus überraschend, weil auch innerhalb der Ärzteschaft die Meinungen zu Ferndiagnosen stark variieren.

Viele moderne Arzneimittel sind erklärungsbedürftig

Damit die Änderung der Berufsordnung gelten kann, muss das Stuttgarter Sozial- und Gesundheitsministerium allerdings zustimmen. Gegenüber DAZ.online bestätigte eine Sprecherin nun, dass diese Entwicklung in der Ärzteschaft durchaus begrüßt werde: „Das Sozial- und Integrationsministerium beabsichtigt, diese Satzungsänderung im Rahmen seiner Rechtsaufsicht zu genehmigen, weil ihr keine Rechtsvorschriften entgegenstehen.“ Ohnehin würden Video-Diagnosen ein Ausnahmefall bleiben und müssten von der Kammer genehmigt werden, fügte die Ministeriumssprecherin hinzu.

Das DocMorris-Projekt in Hüffenhardt sieht das Ministerium hingegen „eher kritisch“. In Stuttgart hat man sich zumindest politisch schon ein Bild von der Video-Abgabestelle gemacht: „Gerade im direkten Patientenkontakt werden manche Fragen, beispielsweise zu Gegenanzeigen oder Neben- und Wechselwirkungen erst aufgeworfen. Viele moderne Arzneimittel sind zudem erklärungsbedürftig. Auch der Aspekt des persönlichen Gesprächs sollte nicht vernachlässigt werden – eine Funktion, die ein automatisches System nicht ersetzen kann.“



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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