NRW-Gesundheitsministerin Steffens

Scharfe Kritik an Gröhe wegen Heilpraktiker-Gesetzen

Stuttgart - 22.08.2016, 09:00 Uhr

Inzwischen wieder offen: Nach dem Tod dreier Patienten versiegelte die Polizei die Tür der „Biologischen
Krebsklinik“. (Foto: dpa)

Inzwischen wieder offen: Nach dem Tod dreier Patienten versiegelte die Polizei die Tür der „Biologischen Krebsklinik“. (Foto: dpa)


Im Landtag muss sich NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens angesichts der toten Krebspatienten für laxe Regeln rechtfertigen. Gegenüber DAZ.online verweist sie jedoch auf Berlin: Seit sechs Jahren fordere sie strengere Regeln im Bund. Trotz eines einstimmigen Votums der Landesminister habe Gröhe sich bisher nicht bewegt, kritisiert Steffens.

Nach dem Tod mindestens dreier Krebspatienten eines Heilpraktikers kurz nach einer umstrittenen Therapie, forderten Politiker, dass die Gesetze für Heilpraktiker verschärft werden. Wer trägt die politische Verantwortung dafür, dass Alternativmediziner wie Klaus R. in Brüggen-Bracht mit umstrittenen Methoden behandeln – und immer wieder Patienten schädigen?

In einer Kleinen Anfrage kritisiert die gesundheitspolitische Sprecherin der FDP in Nordrhein-Westfalen, Susanne Schneider, die aktuelle Lage – und setzt Gesundheitsministerin Barbara Steffens unter Druck. Die FDP-Politikerin weist darauf hin, dass Heilpraktiker ohne einheitliche Ausbildung Injektionen setzen oder offene Wunden behandeln dürfen. Sie sei auch von Steffens „sehr enttäuscht“, da sie sich bisher nicht öffentlich geäußert habe, erklärt sie in einer Stellungnahme. „Fühlt sie sich etwa als bekennende Anhängerin von Homöopathie und alternativer Medizin selbst infrage gestellt?“, frägt Schneider.

Auf Nachfrage äußert sich Steffens nun – und verweist darauf, dass die Ergebnisse der Ermittlungen abzuwarten seien, bis die Vorfälle bewertet werden können. Gleichzeitig schiebt sie den schwarzen Peter nach Berlin. „Unabhängig von diesem Fall brauchen wir ein zeitgemäßes Bundes-Heilpraktikergesetz“, erklärt Steffens – und ist damit auf der Linie von Gesundheitspolitikern der Bundestags-Fraktionen, die gegenüber DAZ.online Gesetzesverschärfungen forderten.

Weitreichende Kompetenzen – aber keine Vorgaben

„Es besteht erheblicher Reformbedarf im Heilpraktikerwesen“, sagt die Ministerin. Wichtig sei, das Heilpraktiker-Gesetz von 1939 durch einen formalen Gesetzgebungsprozess „den Anforderungen unseres modernen Gesundheitswesens anzupassen“.

Problematisch ist nach Ansicht von Steffens vor allem, dass es im Gegensatz zu anderen Gesundheitsfachberufen kein Berufsgesetz und keine Ausbildungs- und Prüfungsordnung gibt. Es seien weder die Ausbildungsinhalte und Ziele noch Dauer oder Zugangsvoraussetzungen geregelt. Auch gäbe es keine staatliche Abschlussprüfung, betont Steffens. Obwohl Heilpraktiker ähnlich weitreichende Kompetenzen wie Ärzte haben, enthalte das Gesetz keine Vorgaben, welches Grundwissen und welche Grundkompetenzen Heilpraktiker haben müssen, wie sie kritisiert. 

Minister Gröhe muss endlich tätig werden

„Weil komplementäre und naturheilkundliche Behandlungsansätze von vielen Menschen gewollt und im Grundsatz sinnvoll sind, halte ich es für dringend geboten, dass der Bund hier endlich tätig wird“, erklärt die NRW-Ministerin. „Dies fordere ich bereits seit 2010“, bemängelt Steffens. Doch seien bei dem für das Gesetz zuständigen Ministerium von Gröhe „bisher keine Anzeichen zu erkennen“, endlich einen Reformprozess anzustoßen, wie ihr Haus erklärt. „Deshalb habe ich ihn erneut angeschrieben mit der Bitte, endlich einen Reformprozess anzustoßen“, erklärt Steffens gegenüber DAZ.online. Sie habe Gröhe dabei die Unterstützung ihres Hauses zugesichert.

Aufruf aller Gesundheitsminister

Auch die Gesundheitsministerkonferenz (GMK) hatte Ende Juni den Minister aufgefordert, aktiv zu werden. „Die GMK stellt fest, dass die Anforderungen an die Erlaubniserteilung nach dem Heilpraktikerrecht nicht den Qualitätserfordernissen genügen, die aus Gründen des Patientenschutzes an die selbstständige Ausübung der Heilkunde zu stellen sind“, kritisierten die Gesundheitsminister aller Bundesländer. Sie baten Gröhe in ihrem einstimmigen Votum, die Heilpraktiker-Prüfung zu verschärfen, „um dem Patientenschutz besser gerecht zu werden und bessere Voraussetzungen für die Einheitlichkeit der Kenntnisüberprüfungen zu schaffen.“

Doch ein Sprecher Gröhes sagte noch letzte Woche auf Anfrage von DAZ.online, Änderungen seien aktuell nicht geplant. Das Ministerium ist zwar für Ausbildungsfragen zuständig, spielt den Ball jedoch zurück zu den Ländern. Die „Überprüfung und die Erteilung der Erlaubnis liegen wie auch die Überwachung der Ausübung der beruflichen Tätigkeit als Heilpraktiker in der Verantwortung der Länder“, heißt es aus dem Ministerium.

Bei Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, stießen die Aussagen Gröhes auf Unverständnis. „Ich glaube, dass der Gesundheitsminister keine Zaungastfunktion hat, sondern aktiv handeln muss“, erklärte er im Interview mit DAZ.online. Sich darauf zurückzuziehen, dass er nicht zuständig sei, überzeuge nicht. „Wenn es Gefahr für Leib und Leben gibt, kann ein Gesundheitsminister nicht sagen, das passt nicht zu meiner Verwaltungsstruktur“, betonte Brysch.

Patienten des Krebszentrums werden exhumiert

Am Wochenende hat die belgische Zeitung „Gazet van Antwerpen“ einen Bericht des „WDR“ bestätigt, dass die Staatsanwaltschaft die Fälle von mehr als 70 Patienten des Heilpraktikers in Brüggen-Bracht untersucht. Sechs belgische Patienten sollen exhumiert werden, auch bei 63 niederländischen Patienten soll die Todesursache geklärt werden.

Gesundheitsministerin Steffens erklärte am Freitag, dass ihr Haus nur von den drei verstorbenen und zwei nach lebensgefährlichen Komplikationen im Krankenhaus behandelten Patienten wisse. „Für die weiteren angeblichen Verdachtsfälle, die aktuell in Medien genannt wurden, haben wir bisher keine Bestätigung“, sagte sie am Freitag. Allen möglichen Verdachtsfällen müsse aber sehr genau nachgegangen werden.

Verbot für den Heilpraktiker

Der Heilpraktiker Klaus R. darf nach Auskunft des Gesundheitsministeriums aktuell nicht in Nordrhein-Westfalen praktizieren. Der Kreis Viersen untersagte ihm die Tätigkeit im Kreisgebiet und nach Informationen des Ministeriums sei er in keinem anderen Kreis mehr tätig. „Früher angezeigte Tätigkeiten in anderen Kreisen oder Städten wurden schon vor einiger Zeit beendet“, erklärt Ministeriumssprecher Christoph Meinerz auf Nachfrage. Alle Gesundheitsämter seien informiert und könnten umgehend tätig werden, wenn der Heilpraktiker seine Tätigkeit wieder aufnehmen will.



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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