Gekaufte Forschung?

Boehringer kann bei Uni-Publikationen mitsprechen

Stuttgart - 11.08.2016, 18:05 Uhr

Offenbar nicht für alle Veröffentlichungen offen: Verträge der Unimedizin in Mainz stehen in der Kritik. (Foto: dpa / picture alliance)

Offenbar nicht für alle Veröffentlichungen offen: Verträge der Unimedizin in Mainz stehen in der Kritik. (Foto: dpa / picture alliance)


Alle Manuskripte bedürfen der Freigabe

Noch eindeutiger ist nach Informationen von DAZ.online ein Passus aus der Geschäftsordnung der Gesundheitsstudie, der regelt, unter welchen Bedingungen Wissenschaftler die Daten und Proben nutzen dürfen. „Weiterhin ist mit dem Hauptsponsor der Studie, Boehringer Ingelheim (BI), vertraglich vereinbart, dass alle Manuskripte vor Veröffentlichung die Freigabe durch BI benötigen“, heißt es in der vor einem Jahr durch den Leitungsausschuss der Studie beschlossenen Vereinbarung.

Die Unimedizin verweist darauf, dass die Geschäftsordnung von Wissenschaftlern in Selbstverwaltung erstellt wurde, die die Inhalte des Vertrags mit Boehringer umsetzen wollten – und sieht grundsätzlich keine Einschränkung der Veröffentlichungsfreiheit. Doch bindet das Abkommen offenbar jeden Forscher, der die Daten verwenden möchte.

Wichtiger Beitrag für die Gesundheitsforschung – oder die Firma?

Der heikelste Punkt der Auseinandersetzung um die Klauseln dürfte die Frage sein, ob Patienten über die Rechte des Sponsors Boehringer Ingelheim informiert wurden und ihr Einverständnis gegeben haben, dass die Pharmafirma mit über die Veröffentlichung ihrer Daten entscheiden darf. Doch auf dem Internetauftritt der Gesundheitsstudie ist nicht einmal ein Hinweis auf das Sponsoring zu finden – auf der Seite der Projektpartner ist lediglich das Logo Boehringers eingebunden, wie auch das des Elektronikkonzerns „Philips“ oder der Mainzer Verkehrsgesellschaft.

„Alle Studienteilnehmer haben mit ihrer bisherigen Teilnahme bereits einen wichtigen Beitrag für die Forschung an der Universitätsmedizin Mainz und damit für die Medizin von morgen geleistet“, erklärt die Unimedizin dort beispielsweise – ohne darauf hinzuweisen, dass offenbar auch eine Pharmafirma Mitspracherechte bei den Ergebnissen hat.

Laut Unimedizin werden die Probanden informiert, dass die Studie gesponsort und die Daten vom Industriepartner genutzt werden können. „Die Studienteilnehmer werden über die Tatsache der Kooperation mit der Industrie und die Möglichkeit zum Austausch von anonymisierten Daten- und Biomaterialien aufgeklärt, dem sie widersprechen können“, erklärt sie. Offen bleibt, ob die Probanden darüber informiert werden, dass Boehringer Mitspracherechte bei Veröffentlichungen hat – was Folgen für ihre Einwilligung haben könnte.



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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