Nach Todesfällen

Patientenschützer kritisiert Gröhe wegen Krebsheilern

Stuttgart - 08.08.2016, 07:10 Uhr

„Ich entschuldige mich für die Unanehmlichkeiten“: Der Inhaber der Tagesklinik hat eine Notiz an der Eingangstür angebracht, die Polizei am Schloss ein Siegel. (Foto: dpa / picture alliance)

„Ich entschuldige mich für die Unanehmlichkeiten“: Der Inhaber der Tagesklinik hat eine Notiz an der Eingangstür angebracht, die Polizei am Schloss ein Siegel. (Foto: dpa / picture alliance)


Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe zeigte sich nach dem Tod dreier Krebspatienten nach alternativmedizinischer Behandlung erschüttert. Es sei „nicht vertretbar“, wenn Heilpraktiker oder Ärzte Arzneimittel ohne Zulassung verabreichen. Patientenschützer Eugen Brysch fordert hingegen stärkere Kontrollen. Als Gesundheitsminister sei Gröhe kein Zaungast, sagte er.

Hat der Tod von mindestens drei Krebspatienten, die sich alternativmedizinisch behandeln ließen, Folgen für die zukünftige Arbeit von Heilpraktikern? Einer ihrer Kollegen hatte in seinem „Biologischen Krebszentrum“ in Brüggen-Bracht an der niederländischen Grenze am 25. Juli fünf Krebspatienten behandelt. In den drei folgenden Tagen starben drei der niederländischen und belgischen Patienten, zwei weitere wurden inzwischen ins Krankenhaus eingewiesen. Die Polizei ermittelt wegen eines möglichen Zusammenhangs mit dem Mittel 3-Bromopyruvat – und warnt weitere Patienten des Heilpraktikers, sie sollten sich vorsichtshalber in ärztliche Behandlung begeben.

Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe äußerte sich erschüttert über die Todesfälle. „Es ist richtig, dass die zuständigen Strafverfolgungs- und Aufsichtsbehörden die Fälle zügig aufklären und auch deutliche Warnungen ausgesprochen haben“, sagte er gegenüber der „Rheinischen Post“. „Die Verabreichung von Substanzen, die nicht zugelassen sind und sich in einer Grundlagenforschung befinden, ist nicht vertretbar“, erklärte der Minister. Sogar, wenn die Patienten die jeweilige Methode ausdrücklich wünschten.

Gröhe ist als Minister kein Zaungast

Kritik erntete der Gesundheitsminister von Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz. Gröhe habe Sorge dafür zu tragen, dass in Deutschland keine Arzneimittel abgegeben würden, die Menschen schadeten, sagte Brysch der Deutschen Presseagentur. „Als Bundesgesundheitsminister ist er nicht unbeteiligter Zaungast“, erklärte Brysch. „Scharlatane, die in den Niederlanden nicht arbeiten dürfen, haben mit
ihren zweifelhaften Wirkstoffen auf dem deutschen Markt nichts zu suchen“, sagte er gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. „Dafür
hat der Bundesgesundheitsminister Sorge zu tragen.“

Pommesbuden werden besser beaufsichtigt

Hierzulande können Heilpraktiker praktizieren, ohne dass es einer staatlich geregelten Ausbildung bedarf. Für die Erlaubnis, als Heilpraktiker zu arbeiten, nehmen die zuständigen Gesundheitsämter eine Prüfung ab, die nach der 1939 verabschiedeten Verordnung zum Heilpraktikergesetz sicherstellen soll, dass die Ausübung der Heilkunde durch den Betreffenden keine „Gefahr für die Volksgesundheit“ darstellen würde. Beispielsweise in den Niederlanden ist die Alternativmedizin deutlich stärker reglementiert, sodass sich das „Biologische Krebszentrum“ auch speziell an Ausländer richtete. 

Diagnose per Pendel

Erst im letzten Herbst hat eine Undercover-Recherche des Fernsehsenders „Arte“ und des Journalistenbüros „Correctiv“ aufgedeckt, wie einige Alternativmediziner Krebspatienten potenziell schaden, indem sie ihnen von bewährten Therapien abraten und stattdessen auf obskure Art und Weise behandeln. In Bayern steht derzeit ein Heilpraktiker wegen fahrlässiger Tötung vor Gericht, der eine Brustkrebspatientin mit teuren homöopathischen Präparaten behandelt hat. Er hatte laut Staatsanwaltschaft per Pendel eine Entzündung diagnostiziert, obwohl Ärzte bei der Patientin zuvor eindeutig einen Tumor festgestellt hatten.

„Es kann nicht sein, dass ein Klempner oder eine Pommesbude stärker unter Aufsicht der Behörden steht als ein medizinischer Dienstleister“, erklärte Patientenschützer Brysch gegenüber der „Welt“. Gesundheitsämter wie jene im Kreis Viersen, in dem das „Biologische Krebszentrum“ liegt, seien für die Erfassung und Überwachung der Berufe im Gesundheitswesen zuständig. Sie müssten verhindern, dass es Scharlatanerie gebe: Eine Pommesbude werde laut Brysch schließlich auch einmal im Jahr kontrolliert.



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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