Pharmaziestudentin zur Lage in der Türkei

Eine Katastrophe für Wissenschaftler

Stuttgart - 29.07.2016, 08:00 Uhr

Für die Teilnahme am Austauschprogramm gab es Zertifikate für die Freiburger Pharmaziestudenten. (Foto: Gabriel Zea)

Für die Teilnahme am Austauschprogramm gab es Zertifikate für die Freiburger Pharmaziestudenten. (Foto: Gabriel Zea)


Freie Meinungsäußerung geht gerade kaum

DAZ.online: Sind Sie noch in Kontakt mit den türkischen Studenten – und haben Sie mitbekommen, wie sie den Putschversuch und seine Folgen erlebt haben?

Dalig: Ja, wir haben eine Facebook-Gruppe, und mit manchen schreibe ich persönlich. Vom Putsch waren wir alle natürlich sehr schockiert. Aber gerade die, mit denen ich Kontakt hatte, haben oft Positionen in der Studierendenvertretung und sind jetzt sehr zurückhaltend, sich zu äußern. Freie Meinungsäußerung geht halt gerade nicht so richtig. Wir müssen alle sehr vorsichtig sein, über welche Plattform wir kommunizieren.

Weil meine Freunde betroffen sind, nehme ich es nun ganz anders wahr. Das ist ein Vorteil, den diese Projekte haben: Man interessiert sich viel mehr für das, was in der Welt passiert, weil man einen persönlichen Bezug hat. Ich habe von einer Studentin gehört, deren Eltern Richter sind. Sie wollte eigentlich Jura studieren – aber ihre Eltern haben ihr abgeraten. Stattdessen solle sie besser etwas studieren, womit sie im Ausland arbeiten kann.

(Foto: Stephan Tang)
Dorothea Dalig

EU als sicherer Hafen

DAZ.online: Inzwischen hat die Regierung von Erdogan türkischen Wissenschaftlern ja verboten, im Ausland zu arbeiten – und im Ausland tätige Wissenschaftler aufgerufen, zurückzukommen.

Das ist natürlich eine persönliche Katastrophe für die Wissenschaftler – aber auch für das ganze System. Gerade die Forschung lebt ja davon, dass Wissenschaftler ihre Ergebnisse frei austauschen können. Das ist jetzt sehr eingeschränkt. Wir würden uns stattdessen wünschen, dass wir mit dem Austausch den Grundstein für weitere Kooperationen legen, dass wir beispielsweise zukünftig zusammen forschen könnten. Es wäre sehr schön, wenn das politisch möglich wäre.

DAZ.online: Was ist denn die wichtigste Botschaft, die Sie für sich wieder mit nach Hause genommen haben?

Dalig: Das zu schätzen, was wir hier mit der EU haben. Eine türkische Studentin hat mir gesagt, dass die EU für sie der sichere Hafen ist, in dem die Demokratie fest etabliert ist. Wenn ich morgen in der Zeitung schreiben möchte, Merkel ist blöd, kann ich das machen. Doch die Studentin macht sich – beispielsweise angesichts des Brexits – auch Sorgen um die Zukunft Europas. 



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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