Heuschnupfen und SommerZeit

Kein Bett im Kornfeld

Stuttgart - 25.07.2016, 09:00 Uhr

Pusteblumen als Zeichen eines schönen Sommers - Pustekuchen, denkt der Heuschnupfengeplagte da nur. (Foto: supertramp8 / Fotolia)

Pusteblumen als Zeichen eines schönen Sommers - Pustekuchen, denkt der Heuschnupfengeplagte da nur. (Foto: supertramp8 / Fotolia)


Die Sommerbasics für Allergiker heißen nicht grillen, baden und im Grünen chillen. Taschentücher, Nasenspray und Augentropfen sind ihre ständigen Begleiter. Die Qualen des Sommers und ein kleines OTC-Update bei allergischer Rhinitis.

„Sag mir, wo die Blumen sind,“ heißt es in der deutschen Übersetzung von Pete Seegers Folksong aus dem Jahre 1961. „Bloß nicht“ – denken sofort die Allergiker. Höchstens im Rahmen einer Negativselektion, sich genau an diesen Orten nicht aufzuhalten. Sommerliche Temperaturen, üppige Wildblumenwiesen, grüne Bäume – Heuschnupfengeplagte können diesem Idyll wenig Positives abgewinnen. Während Nicht-Atopiker dem Badespaß am Baggersee frönen, würden sie sich am liebsten hermetisch vor der schönen Jahreszeit abschotten. Sie fühlen sich um die kleinen und großen Freuden des Sommers betrogen. 

Not macht erfinderisch: Ein Versuch, den Pollen beizukommen. (Foto: Barabas Attila / Fotolia)

Die Qualen des Sommers

Die Sonne scheint, die Temperaturen haben die 30 Grad Marke längst geknackt. Schüler freuen sich über hitzefrei, der Schweiß rinnt in Strömen: Was bei vielen Betroffenen zusätzlich unaufhaltsam läuft – ist die Nase. Dabei hat die „Schniefnasen“ in den meisten Fällen keine kleine Sommergrippe heimgesucht. Für den horrenden Bedarf an Taschentüchern sind Pollenkörner verantwortlich. Im Schnitt gerade mal 10 bis 100 Mikrometer groß, schaffen sie es, Allergiegeplagten ihr persönliches „Sommerloch“ zu bescheren und die sonnigen Tage zur Hölle werden zu lassen.

94 Prozent der Patienten mit allergischer Rhinitis klagen über eine verstopfte Nase, die meisten leiden zusätzlich unter Nasensekret und verstopften Nebenhöhlen. Die wenig attraktive Folge des ständigen Schnäuzens ist eine feuerrote und wunde Nase. Die bewährte Kleenex-Box mutiert zum besten und treusten Freund. Ohnehin beschleicht die Betroffenen das dumpfe Gefühl, dass sich außer den Taschentüchern niemand freiwillig in ihren schniefenden Umkreis begeben will.

Der Blick in den Spiegel lässt Ähnlichkeiten zu Puck, die Stubenfliege, offenbar werden – so man aus den verschwollenen Augen schauen kann. (Foto: tomatito26 / Fotolia)

Um die Augen sieht es optisch oft nicht besser aus: Ein scheinbar nie versiegender Tränenfluss aus juckenden, geröteten und geschwollenen Augen nährt nicht minder schmeichelhafte Vergleiche mit dem Lieblings-Kreuzungsobjekt vieler Genetiker: Drosophila melanogaster.

Und damit nicht genug: Pollen sind klein und fies. Sie infiltrieren den Körper, penibler als jeder Geheimdienst. Der Gaumen juckt – unangenehm bis unerträglich. Mutter Natur hat für den Oropharynx allerdings maximal Kauwerkzeuge angelegt. Kratzen ist schlichtweg nicht möglich. Auch die Versuche, die Zunge hierfür zu missbrauchen, scheitern kläglich. 

Müdigkeit und Kopfschmerzen tragen ihren Teil dazu bei, sich auf der persönlichen Attraktivitäts-Skala zielsicher in Richtung des absoluten Nullpunkts zu bewegen. Hilfe suchen die meisten in der Apotheke.

Topisch vor Tablette

Die kausalen Therapieansätze atopischer Erkrankungen – zu denen zählt die allergische Rhinokonjunktivitis – sind beschränkt. Insofern kommt der Allergieprävention besondere Bedeutung zu. Die beginnt bereits im Mutterleib bei der Ernährung der Schwangeren, geht über das Stillen und die Beikost des Säuglings – und hilft dem Geplagten im akuten Fall wenig. Präventiv auf die aktuelle Ausprägung der Symptome wirkt fraglos, allergieauslösende Faktoren zu meiden, sprich die Allergenkarenz. Und das bedeutet für die meisten eben: Keine Fahrt ins Blaue und kein Picknick im Grünen. Oder zumindest nur unter antiallergischer Arzneimittelaufsicht. Bei Rhinitis sind topische Arzneiformen den systemischen Arzneimitteln vorzuziehen.

Therapie der allergischen Rhinitis

Heuschnupfengeplagte, die hauptsächlich unter Rhinitis leiden, lindern ihre Beschwerden am effektivsten durch nasale Glucocorticoide. Diese sind nachweisbar wirksamer als orale Antihistaminika. Beclometason ist derzeit noch als einziges glucocorticoidhaltiges Nasenspray auch rezeptfrei in der Apotheke erhältlich. Zweimal zwei ab zwölf – eine kurze Merkhilfe für die Beratung. Also: Kinder ab zwölf Jahren sprühen zweimal täglich zwei Sprühstöße in jedes Nasenloch. Mit Mometason hat der Sachverständigenausschuss des BfArM einen zweiten Wirkstoff aus dieser Gruppe zur Entlassung aus der Verschreibungspflicht empfohlen. 

Patienten mit milderen allergischen Beschwerden oder Allergikern, die Glucocorticoide grundsätzlich ablehnen, sollte der Apotheker intranasale Antihistaminika empfehlen. Sie sind nebenwirkungsärmer als die oralen Präparate und wirken rascher. Hinsichtlich der Wirksamkeit sind sie vergleichbar bis überlegen.

Azelastin ist in Allergodil® akut Nasenspray, Azelastin® hysan 1 mg/ml Nasenspray und Vividrin® akut Azelastin Nasenspray gegen Heuschnupfen enthalten. Ein Sprühstoß zweimal pro Tag ist die empfohlene Dosierung. Sie eignen sich für Kinder ab sechs Jahren.

Levocabastin ist wirksamer Bestandteil in Livocab® Nasenspray und Livocab® direkt Nasenspray. Levocabastin darf bereits Kindern ab einem Jahr gegeben werden. Die Dosierung ist in jeder Altersgruppe gleich: Zwei Sprühstöße, zwei- bis viermal täglich. 

Gerade initial ist eine Kombination eines nasalen Glucocorticoids mit einem nasalen Antihistamin sinnvoll. Sie ergänzen sich bei Wirksamkeit und Wirkeintritt: Azelastin und Levocabastin sind zwar schwächer, dafür aber schneller wirksam als das Corticoid.

Cetirizin und Loratadin nur bei milder allergischer Rhinitis

H1-Antihistamine sollte der Apotheker nur bei milden Formen des allergischen Schnupfens empfehlen. Die neuere Generation gilt als Arzneistoff der Wahl. Cetirizin (Zyrtec® und Generika) und Loratadin (Lorano® und Generika) sollten den stark sedierenden Wirkstoffen Clemastin (Tavegil®) oder Dimetinden (Fenistil®) vorgezogen werden.

Kinder ab zwölf Jahren und Erwachsene nehmen einmal täglich zehn Milligramm Cetirizin. Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren teilen die Tagesdosis in zweimal täglich fünf Milligramm. Für Zweijährige steht ein Saft zur Verfügung. Diese Altersgruppe bis sechs Jahren dosiert zweimal 2,5 Milligramm pro Tag.

Loratadin ist für Kinder ab zwei Jahren und einem Körpergewicht von 30 Kilogramm zugelassen. Die Dosis beträgt für alle einheitlich zehn Milligramm einmal täglich.

Unabhängig von der Wahl der antiallergischen Therapie, können Apotheker auf unterstützende Maßnahmen wie Nasenspülungen hinweisen. Es gibt Daten, dass Spülen mit isotonen Salzlösungen die Lebensqualität der Patienten verbessert und zu einem geringeren Bedarf an Arzneimitteln beiträgt.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


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