Beratungs-Quickie

Ein junger Mann mit Potenzproblemen

Stuttgart - 21.07.2016, 12:00 Uhr

Nashornpulver als Potenzmittel ist vor allem in Asien begehrt. Die große Nachfrage hat den Bestand der Tiere extrem dezimiert. Dabei beruht die Wirksamkeit wohl allein auf dem Placeboeffekt. (Foto: hecke71 / AdobeStock)

Nashornpulver als Potenzmittel ist vor allem in Asien begehrt. Die große Nachfrage hat den Bestand der Tiere extrem dezimiert. Dabei beruht die Wirksamkeit wohl allein auf dem Placeboeffekt. (Foto: hecke71 / AdobeStock)


Welche Informationen sind bei einem Beratungsgespräch in der Apotheke für den Patienten wichtig? Welche hilfreichen Tipps kann der Apotheker zu Arzneimitteln und Therapien geben? Im Beratungs-Quickie stellen wir jeden Donnerstag einen konkreten Patientenfall vor. Diesmal geht es um eine Verordnung über Cialis® für einen Mann Mitte Dreißig, der unter Erektionsstörungen leidet.

Formalien-Check

Der Kunde reagiert ablehnend auf das diskrete Beratungsangebot. Er sei bereits informiert und benötige keine weiteren Hinweise.

Verordnet sind vier Filmtabletten Cialis® 20 mg auf einem blauen Privatrezept.

Für Privatrezepte ist kein spezielles Formular vorgeschrieben. Die Verordnung muss neben den verordneten Arzneimitteln, Namen und Geburtsdatum des Patienten, Angaben zum Arzt und dessen Unterschrift sowie Ausstellungsort und -datum enthalten.

Das vorliegende Rezept ist vollständig und eindeutig. Das verordnete Arzneimittel ist ein sogenanntes Lifestyle-Arzneimittel und darf nicht zulasten der GKV verordnet werden. Erstattungsfähig ist Cialis® ausschließlich in der Wirkstärke 5 mg zur Behandlung des benignen Prostatasyndroms bei erwachsenen Männern (siehe Anlage III zu den AM-RL des GB-A). Der Kunde muss die Kosten für das Präparat selbst tragen. Abzugeben sind vier Filmtabletten Cialis® 20 mg oder ein preisgünstiger Import. Es sind noch keine Generika zugelassen.

Ab Ausstellungsdatum ist das Privatrezept drei Monate gültig.

Beratungs-Basics 

Es gilt, den Wunsch des Kunden zu berücksichtigen. Ohne seine Zustimmung sollte keine Beratung erfolgen. Falls eine Beratung zum Thema Impotenz gewünscht wird, ist sie am besten diskret in der Beratungsecke oder in einem Beratungszimmer durchzuführen.

Erektionsstörungen können gerade in jüngeren Jahren ein frühes Anzeichen für eine Herz-Kreislauf-Erkrankung sein. Der Arzt muss unter anderem einen beginnenden Bluthochdruck, eine Koronare Herzerkrankung, eine Herzinsuffizienz sowie eine periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) ausschließen.

Das verordnete Arzneimittel enthält den Wirkstoff Tadalafil, einen Phosphodiesterase-5-Hemmer (PDE-5-Hemmer). Der PDE-5-Hemmer führt zu einer Entspannung der glatten Muskulatur des Corpus cavernosum und dadurch zu einem vermehrten Bluteinstrom in das Penisgewebe, wodurch es zur Erektion kommt. Filmtabletten in einer Wirkstärke von 20 mg sind zur Behandlung der erektilen Dysfunktion (ED) bei erwachsenen Männern zugelassen. Unter dem Namen Adcirca® ist der Wirkstoff zur Behandlung der pulmonalen arteriellen Hypertonie (PAH) II und III auf dem Markt.

Tadalafil ist kein Aphrodisiakum. Der Wirkstoff kann nur wirken, wenn eine sexuelle Stimulation erfolgt.

Die empfohlene Dosierung beträgt 10 mg Tadalafil am Tag. Bei unzureichender Wirkung können Anwender die Dosis auf 20 (bis 30) mg steigern. Die Einnahme erfolgt mindestens dreißig Minuten (bis zwölf Stunden) vor der sexuellen Aktivität. Die maximale Konzentration im Blut ist nach zwei bis vier Stunden erreicht. Nahrung verzögert oder verändert die Wirkung nicht. Die Wirkung von Tadalafil dauert bis zu 36 Stunden an, daher auch der Name „Wochenend-Viagra“.

Der Kunde darf maximal eine Tablette am Tag einnehmen. Das Präparat ist nicht für die tägliche Einnahme vorgesehen. Bei häufigerem Geschlechtsverkehr kann jedoch Tadalafil in der niedrigsten Dosis 2,5 bis 5 mg pro Tag täglich eingesetzt werden.

Häufig führt die Einnahme von Tadalafil zu Kopf- und Muskelschmerzen, Magen-Darm-Beschwerden sowie zu Hautrötung (Flush). Treten Sehstörungen oder Hörstörungen auf oder kommt es zu einer schmerzhaft verzögerten Erektion (länger als zwei Stunden), dem sogenannten Priapismus, muss ein Arzt aufgesucht werden. 

Auch noch wichtig

Zur Vermeidung von Wechselwirkungen sollte jeder behandelnde Arzt über die Einnahme des Mittels informiert werden. PDE-5-Hemmer bewirken durch ihre gefäßerweiternde Eigenschaft eine leichte Blutdrucksenkung und können den Effekt von Nitraten verstärken. Die Einnahme organischer Nitrate gilt als Kontraindikation. Es treten außerdem zahlreiche Wechselwirkungen mit anderen Wirkstoffen auf, wie beispielsweise mit den CYP3A4-Inhibitoren Ketoconazol, Itraconazol, Erythromycin und Clarithromycin. Auch die gleichzeitige Behandlung mit Arzneistoffen, die CYP3A4 induzieren (wie Johanniskraut, Carbamazepin und Phenytoin), kann die Wirksamkeit des PDE-5-Hemmers beeinträchtigen.

Anwender sollten außerdem auf Grapefruitsaft verzichten, da dieser den Abbau von Tadalafil hemmt.

Kontraindikationen sind kardiale Erkrankungen, wie instabile Angina pectoris, unkontrollierter Bluthochdruck oder Arrhythmien, kürzlich vorangegangener Herzinfarkt oder Schlaganfall sowie Herzinsuffizienz und Hypotonie.

Darf's ein bisschen mehr sein?

  • Erektionsstörungen können organische und psychische Ursachen haben oder auch durch Arzneimittel, wie Betablocker oder Antidepressiva, verursacht sein.
  • Fettstoffwechselstörungen, Diabetes mellitus, Hypertonie und Rauchen gelten als Risikofaktoren für erektile Dysfunktion. Eine Reduktion des Körpergewichts, regelmäßige Bewegung und gesunde Ernährung sowie der Verzicht auf das Rauchen können sich positiv auf die Erektionsfähigkeit auswirken.
  • Zur Behandlung der erektilen Dysfunktion kommen hauptsächlich PDE-5-Hemmer zum Einsatz. Die SKAT (Schwellkörperautoinjektionstherapie) beispielsweise mit dem Prostaglandin-Analogon Alprostadil (zum Beispiel Caverject®) wird eingesetzt, wenn die für eine Erektion verantwortlichen Nervenbahnen nicht mehr intakt sind. Seit einiger Zeit steht Alprostadil auch als Creme zur Verfügung (Vitaros® Hexal). Yohimbin (Yocon Glenwood®) und Apomorphin werden kaum mehr verordnet.
  • Außerdem kommen mechanische Hilfsmittel, wie Vakuumpumpen, oder in schweren Fällen chirurgische Eingriffe (Schwellkörper-Implantate) zum Einsatz.
  • In bestimmten Fällen kann Beckenboden-Training die Erektionsfähigkeit verbessern.
  • Neben Tadalafil sind die PDE-5-Hemmer Sildenafil (Viagra® und Generika), Avanafil (Spedra®) und Vardenafil (Levitra®) auf dem Markt. Sie unterscheiden sich von Cialis® vor allem in ihrer kürzeren Wirkdauer und der Tatsache, dass (fettreiche) Nahrung den Wirkeintritt verzögern und ihre Wirkung abschwächen kann.
  • Mehr Infos gibt es in der S1-Leitlinie „Diagnostik und Therapie der erektilen Dysfunktion“.

Der Kunde nimmt sein Arzneimittel in Empfang und seufzt. Er habe nicht damit gerechnet, dass er mal selbst betroffen sei. Früher habe er zu dem Thema Viagra und Co immer freche Sprüche parat gehabt. Aber plötzlich erschienen ihm diese überhaupt nicht mehr lustig.


Manuela Kühn, Apothekerin
redaktion@daz.online


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