Listerien

Lebensgefährlich oder „wurscht“?

Stuttgart - 18.07.2016, 15:00 Uhr

Listerien in Wurstprodukten – wie gefährlich ist das? (Foto: M. Schuppich / Fotolia)

Listerien in Wurstprodukten – wie gefährlich ist das? (Foto: M. Schuppich / Fotolia)


Das Landratsamt im unterfränkischen Haßfurt warnt vor dem Verzehr rohpolnischer Würste. Der Grund: Listerienbefall. Das gleiche Bakterium hat der Großmetzgerei Sieber im oberbayerischen Geretsried zu zweifelhaftem Ruhm verholfen. Hier war es in zahlreichen Produkten nachgewiesen worden. Wie groß ist die Gefahr durch Listerien?

Listerien-Proben aus ganz Deutschland werden systematisch untersucht – seit 2009. Das Robert-Koch-Institut (RKI) möchte so mit Hilfe von Erbgutanalysen gemeinsame Infektionsquellen aufspüren. Bei bis zu 80 Listeriose-Patienten, die seit 2012 im süddeutschen Raum erkrankt waren, führte die Spur zur Großmetzgerei Sieber im oberbayerischen Geretsried. Ein Wammerl war wohl der Übeltäter, andere Produkte waren aber auch kontaminiert. Es folgte der Rückruf der Ware und ein Produktionsstop. Auch überregionale Medien berichteten über den Fall. Auch das RKI griff das den Fall im Epidemiologisches Bulletin 23/2016 auf.

Nun gibt es erneut eine Warnung. So wurden in rohpolnischen Würsten der Metzgerei Bauer in Haßfurt (Unterfranken) Listerien nachgewiesen. Das meldet der Bayerische Rundfunk. In diesem Fall soll die Metzgerei den Befall selbst entdeckt und gemeldet haben. Das Landratsamt Haßberge warnt davor, die bereits gekauften Waren zu verzehren.

Aber warum sind Listerien  gefährlich? Und wie kommen Sie in die Wurst?

Listerien sind überall 

Listerien sind stäbchenförmige, grampositive, nicht endosporenbildende, fakultativ anaerobe Bakterien, die überall in der Umwelt verbreitet sind. Die bedeutendste humanpathogene Spezies ist Listeria monocytogenes. Bis zu zehn Prozent der Menschen sollen Träger dieser Art im Darm sein und scheiden sie genauso wie viele Säugetierarten (Wild- und Haustiere), Vögel oder Kaltblüter im Stuhl aus. Tierische und pflanzliche Produkte können daher sowohl über Fäkalien als auch über die Umwelt kontaminiert werden.

Listerien führen nicht zum Verderb der Lebensmittel. Daher ist eine Kontamination weder am Geruch noch am Aussehen der Lebensmittel erkennbar. Temperaturen über 70 Grad Celsius machen die Erreger unschädlich, Kälte hingegen überleben sie. Auch bei 4 bis 8 Grad Celsius sind sie zu Wachstum fähig. 

Trotz Verbreitung, wenig Infektionen

Trotz der weiten Verbreitung der Listerien sind Listeriosen im Vergleich zu anderen Lebensmittel-bedingten Infektionen in Deutschland aber selten. Die Zahl der gemeldeten Fälle beschränkt sich auf einige Hundert im Jahr (zum Vergleich: Salmonellosen 18.986, Campylobacter-Enteritiden 63.636).

Seit 2011 steigen laut RKI die Zahlen jedoch kontinuierlich an. Im Jahr 2015 wurden 662 Listeriosen übermittelt. Das entspricht einem Anstieg um 0,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr, in dem 609 Fälle gemeldet wurden.

Infektion und Ausmaß einer Erkrankung sind von der Menge der aufgenommenen Erreger abhängig. Der zugelassene Grenzwert für verzehrfertige Lebensmittel liegt während der gesamten Haltbarkeitsdauer bei 100 Keimen von L. monocytogenes pro Gramm.

Für wen sind Listerien gefährlich?

Für immunkompetente Erwachsene stellt eine Listeriose keine Gefahr dar. Sie verläuft häufig symptomlos oder es tritt nach dem Verzehr kontaminierter Lebensmittel innerhalb weniger Stunden bis zu zwei Tagen eine schwere, fieberhafte, selbstlimitierende Gastroenteritis auf. Die Infektion bleibt oft unerkannt.

Akute Gefahr besteht hingegen für abwehrgeschwächte Personen wie Neugeborene, alte Menschen, Patienten mit chronischen Erkrankungen (z.B. Tumoren, Aids), Transplantierte, außerdem für Schwangere. Die manifeste Listeriose äußert sich mit grippeähnlichen Symptomen wie Fieber, Muskelschmerzen sowie Erbrechen und Durchfall. In schweren Fällen kann es dann zur Sepsis kommen. 2013 gab es in Deutschland 31 Todesfälle, bei denen Listeriose als Ursache angegeben war. Das entspricht einer Letalität von 7 Prozent, womit die Listeriose die meldepflichtige Erkrankung mit der höchsten Sterblichkeit ist. 

Listeriose in der Schwangerschaft

Bei Schwangeren bleibt die Erkrankung oft symptomfrei oder verursacht nur relativ unauffällige grippeähnlichen Symptome. Die große Gefahr besteht hier jedoch darin, dass das ungeborene Kind sich noch während der Schwangerschaft, während der Geburt oder postnatal durch Kontakt infizieren kann. Neonatale Listeriosen sind durch Sepsis, Atemnotsyndrom und Hautläsionen gekennzeichnet. Säuglinge, die sich während der Geburt infizieren, erkranken häufig an einer Meningitis. Oft kommt es auch zu Früh- oder sogar Totgeburten. Die Letalität der Neugeborenen-Listeriosen liegt bei zehn Prozent.

Wie behandelt man eine Listeriose?

Mittel der ersten Wahl sind Amoxicillin oder hochdosiertes Ampicillin, das, sofern keine Kontraindikation wie Schwangerschaft vorliegt, mit einem Aminoglykosid kombiniert wird. Als Alternative kommt Cotrimoxazol infrage. Zu anderen Wirkstoffen (z.B. Moxifloxacin, Makrolide, Linezolid) sind die Empfehlungen sehr zurückhaltend bzw. werden in der Fachliteratur kontrovers diskutiert.

Da Resistenzen bei Ampicillin, Gentamicin und Cotrimoxazol derzeit praktisch keine Rolle spielen, kann die Therapieentscheidung getroffen werden, ohne ein Antibiogramm abzuwarten. Allerdings sprechen die Patienten oft auf die Therapie nicht ausreichend an. Das liegt zum einen an der intrazellulären Lebensweise des Erregers und an der oft späten Diagnosestellung aufgrund der unspezifischen Symptomatik. Trotz gezielter Therapie verliefen in den letzen Jahren etwa 21 Prozent der Listerien-Septikämien und 13 Prozent der Listerien-Meningitiden tödlich.

Prävention ist die wichtigste Maßnahme

Daher liegt die wichtigste Maßnahme in der Prävention. Risikogruppen sollten auf den Verzehr roher, möglicherweise belasteter Lebensmittel (z.B. Tartar, Sushi, Rohmilchkäse, rohe Wurstwaren) verzichten.

Weitere Tipps, wie sich Infektionen vermeiden lassen, finden sich beispielsweise auf der Homepage des Bundesamtes für Risikobewertung.

Dieser Beitrag ist ursprünglich erschienen in DAZ 2014, Nr. 34. 



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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