Datenbank zu Pharma-Honoraren

Welche Nebeneinkünfte hat mein Arzt oder Apotheker?

Stuttgart - 14.07.2016, 18:30 Uhr

Für jedermann: In der neuen Datenbank sind Zahlungen von Pharmafirmen an Ärzte oder auch Apotheker aufgeführt. (Foto: Screenshot)

Für jedermann: In der neuen Datenbank sind Zahlungen von Pharmafirmen an Ärzte oder auch Apotheker aufgeführt. (Foto: Screenshot)


Nachdem 54 Pharmahersteller Zahlungen an deutsche Ärzte und Heilberufler offengelegt haben, startet am heutigen Donnerstag eine online-Datenbank: Spiegel Online und Correctiv veröffentlichen Zahlungen an rund 20.000 Personen. Doch ein Großteil der Zahlungen bleibt weiter intransparent.

575 Millionen Euro zahlten 54 große Pharmafirmen im vergangenen Jahr an Ärzte, Apotheker oder andere Heilberufler, wie sie im Rahmen der „Freiwilligen Selbstkontrolle Arzneimittelindustrie“ (FSA) Ende Juni offenlegten. Ziel war es, transparent zu machen, wer in welcher Höhe von Zahlungen profitierte – doch dies gelang nur in vergleichsweise wenig Fällen: Honorare für klinische Studien und umstrittene Anwendungsbeobachtungen, die den Großteil der Gelder ausmachen, wurden nicht aufgeschlüsselt. Und nur rund ein Drittel der Heilberufler willigte in die freiwillige Transparenz ein.

Eine weitere große Hürde räumt nun des Recherchebüro Correctiv zusammen mit dem Nachrichtenmagazin „Spiegel Online“ aus: Während bisher jeder einzelne Hersteller eine Liste auf seiner Homepage veröffentlichte, bauten sie in den letzten Wochen eine Gesamtdatenbank auf. Über eine Suchmaske können Name oder Ort eines Heilberuflers eingegeben und eine Liste der Zahlungen abgerufen werden, bei deren Veröffentlichung er zugestimmt hat. Beim Großteil der Honorar-Empfänger handelt es sich um Ärzte, doch werden auch Apotheker oder andere Personen aus der Gesundheitsbranche aufgeführt.

Warnungen von den Pharmafirmen

Die Datenbank macht Informationen transparent, die bisher nicht direkt zugänglich waren. Beispielsweise, wie hoch die Summen sind, die einzelne Ärzte insgesamt bekommen: Top-Verdiener der in die Veröffentlichung einwilligenden Ärzte war mit rund 200.000 Euro der Neurologe Hans-Christoph Diener, der bis vor Kurzem am Uniklinikum Essen tätig war. Danach folgte mit knapp 150.000 Euro der Virologe Jürgen Rockstroh vom Uniklinikum Bonn, der der Veröffentlichung von Zahlungen von sechs Pharmafirmen zustimmte. Gelder von sogar elf Firmen erhielt der Internist Jens Schreiber aus Magdeburg.

Die Aufbereitung der Daten war ein enormer Aufwand: „Die eigentliche Vorarbeit hat lange angefangen, bevor die Industrie mit den ersten Daten um die Ecke kam“, sagte Correctiv-Chefredakteur Markus Grill gegenüber DAZ.online. In den letzten Wochen war ein Team von rund zehn Datenjournalisten und Autoren mit der Aufbereitung beschäftigt. Denn die bisherigen, freiwilligen Veröffentlichungen haben mehrere Probleme. So veröffentlicht die Industrie die Daten nicht selber in einer Gesamtübersicht, sondern oft auf schwer zugängliche Weise – und manche Unternehmen wie Grünenthal schreiben, dass man sie nicht weiterverwenden dürfe. 

Andererseits berücksichtigen die Veröffentlichungen nicht Zahlungen für Anwendungsbeobachtungen. Somit behandeln die Firmen „den größten Teil der Zahlungen wie eine Black-Box“, wie Grill sagt. „Das konterkariert das Bemühen um Transparenz von Anfang an.“

Daten mit Problemen

Trotz möglicher juristischer Konsequenzen entschlossen sich Correctiv und „Spiegel Online“, die Daten zu veröffentlichen. Dabei enthalten diese verschiedene Fallstricke. So sind auch für Ärzte mit aufgeführten Zahlungen die Daten nicht unbedingt vollständig. Da Heilberufler zu jeder Veröffentlichung zustimmen müssen, können sie große Zahlungen verstecken, indem sie nur bei kleineren Summen einwilligen. Auf diesem Weg können sie Transparenz vortäuschen, da sie in der Veröffentlichungsliste erscheinen. Während viele Hersteller dies nicht erlauben, wie sie auf Anfrage von DAZ.online schreiben, gehen andere hiermit offenbar nicht so strikt um und erlauben anscheinend, Honorare zu verstecken. 

Auch können Ärzte oder Apotheker ihre Einwilligung in die Veröffentlichung jederzeit zurückziehen – es gab bereits Veränderungen in den Transparenzlisten. Dies will Correctiv abfangen, indem die Datenbank von Zeit zu Zeit aktualisiert wird. Dies dürfte einen enormen Aufwand darstellen, da hierzu die vorhandenen Daten mit den rund 50 Listen der Pharmahersteller abgeglichen werden müssen.

Euros für Ärzte

Bisher plant das Recherchebüro noch nicht, die aufbereiteten Daten für weitere Analysen zur Verfügung zu stellen – so gibt es beispielsweise bisher auch keine Übersicht über die Geldsummen, die ohne Angaben von Namen in aggregierter Form veröffentlicht wurden.

Die „Euros für Ärzte“ genannte Datenbank stellt einen Schritt in Richtung der Plattform „Dollars for Docs“ dar, in der Zahlungen an Ärzte in Amerika veröffentlicht werden. Da in den USA ein Gesetz Firmen und Ärzte zur Transparenz zwingt, sind diese – anders als in Deutschland – allerdings vollständig erfasst. Dies hatte Ärztepräsident Frank Ulrich Montgomery auch für Deutschland gefordert, um schwarze Schafe unter den Kollegen aufzudecken.

Wird das Vertrauen von Patienten beschädigt?

Klaus Lieb, Direktor der Klinik für Psychiatrie am Uniklinikum Mainz, erwartet weitere Veränderungen auch in Deutschland – auch da laut einer Umfrage der Großteil aller Patienten sich Transparenz wünschen. Obwohl diese bisher nur teilweise hergestellt wird, sei zu erwarten, „dass sich das Verhalten der Ärzte und medizinischen Einrichtungen zur Industrie ändern wird“, erklärte Lieb.

Er fordert, dass Heilberufler selber aktiv werden, um Einfluss von Seiten der Pharmaindustrie zu reduzieren. „Sinnvolle Wege sind die Etablierung von mehr unabhängiger Fortbildung für Ärzte, der Verzicht auf den Besuch von Pharmavertretern, der Verzicht auf Geschenke und Fortbildungseinladungen“, sagte Lieb.

Erstmal nicht verfügbar

Bedenken bei den aktuellen Veröffentlichungen und dem zu erwartenden Aufschrei in den Medien hat der Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO) – ihre europäische Dachorganisation erhielt 2015 allein von Novartis rund 810.000 Euro an geldwerten Leistungen. Das Vertrauen ihrer Patienten sei für Ärzte ihr wichtigstes Gut, doch könne auf Zusammenarbeit mit der Industrie nicht verzichtet werden. „Dabei ist das in der Öffentlichkeit mitunter geschürte Misstrauen gegenüber jeder Art der Kooperation von Ärztinnen und Ärzten mit der Pharmaindustrie in mehrfacher Hinsicht bedenklich“, erklärte die Gesellschaft.

Der DGHO-Vorstand gab zu bedenken, „dass undifferenzierte und mitunter polarisierende Diskussionen möglicherweise dazu führen können, das Vertrauensverhältnis der Patientinnen und Patienten und der gesamten Öffentlichkeit in die Ärzteschaft nachhaltig zu beschädigen.“

Aus den USA ist jedoch trotz der weitergehenden Transparenz bisher nichts derartiges bekannt geworden. Großes Interesse an den veröffentlichten Zahlungen gibt es in jedem Fall: Schon kurz nach Veröffentlichung ging der Internetserver von Correctiv in die Knie und meldete nur noch „Service unavailable“. 



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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4 Kommentare

Datenschutz

von J. Barth am 15.07.2016 um 8:54 Uhr

Was sagt denn hierzu mal der Datenschutzbeauftragte?
Von Spiegel Online aufbereitete Daten mit weiteren Details.
Wäre das von den Betroffenen nicht zustimmungspflichtig?
Komment von G. Erben ist auch sehr gut! :-)

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Honorare

von Alexander Zeitler am 14.07.2016 um 23:40 Uhr

da bekomme ich mal €10,- für ne Reimport Umfrage
oder auch mal € 17,35 von Springer.
Muss ich mich jetzt schämen?
Ich schäme mich nicht: Ich sitze für diese Dinge in meiner FREIZEIT am PC und beantworte brav die Fragen.
Und ich habe mich entschlossen, für NULL gibts nix mehr von mir.
Lauterbach und Konsorten, da sollte man mal schauen.

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Transparenz - der Schein trügt ?

von G. Erben am 14.07.2016 um 19:32 Uhr

Sehr geehrte Leser,
Schnell wird aus überflüssiger Information für Jedermann
ein Pranger. Neid ist eine der am meisten unterschätzten
menschlichen Eigenschaften und sollten wir aus unserer
deutschen Vergangenheit nicht gelernt haben, daß man
eben keine Listen über unschuldige Mitmenschen anlegt ?
- Inquisition macht eben doch Spaß, auch Angestellten
von gewinnorientierten Konzernen des Großkapitals, scheinbar dem geneigten Leser eine Gunst erweisend,
ihn aus dem Tal der Ahnungslosen befreiend.
Auch hier wird Macht ausgeübt.

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Transparenz bei allen

von G. Wagner am 14.07.2016 um 18:54 Uhr

...und jetzt würden mich natürlich auch noch die Vortrags-, Neben- und Zusatzverdienste der Herren Grill, Glaeske, Lauterbach et al. interessieren. Gibt es hierfür auch eine Datenbank?

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