Zytostatika-Verwürfe

„Abfall aus der Apotheke“ landet in der Süddeutschen Zeitung

Stuttgart - 13.07.2016, 14:10 Uhr

Arbeiten Apotheken bei der Herstellung von Zytostatika regelkonform, sind Verwürfe nicht zu vermeiden. (Foto: benicoma / Fotolia)

Arbeiten Apotheken bei der Herstellung von Zytostatika regelkonform, sind Verwürfe nicht zu vermeiden. (Foto: benicoma / Fotolia)


Hersteller müssen tatsächliche Haltbarkeiten testen

Neben Stadler kommen weitere Apotheker zu Wort, zum Beispiel Irene Krämer, die Chefapothekerin der Universitätsmedizin in Mainz. Sie pflegt seit langem die „Stabil-Liste“, die unter anderem Informationen zur physikalisch-chemischen Stabilität parenteral applizierbarer Zytostatika enthält. Es sei oft möglich, die Haltbarkeiten länger auszureizen, sagt Krämer gegenüber der SZ. Legal sei das aber nicht und auch nicht im Sinne des Patienten. Apotheker Tilman Schöning aus Heidelberg ist der Meinung, dass Hersteller die tatsächliche Haltbarkeit der Präparate testen und diese angeben müssen und zwar vor der Zulassung.

Daran haben aber insbesondere die Hersteller patentgeschützter und damit meist teurer Wirkstoffe kein Interesse. Das legt Stadler im zweiten Teil seines Beitrags für DAZ.online dar. Denn in diesem Bereich bescheren Verwürfe den Firmen Mehrumsätze, schreibt er. Dieses Verhalten ändere sich ab dem Moment, ab dem ein Wirkstoff patentfrei wird. Dann kann es Wettbewerbsvorteile gegenüber der generischen Konkurrenz bringen, eine längere Haltbarkeit anzugeben. 

Ausschreibungen können das Problem verschärfen

In dem SZ-Beitrag wird zudem der mangelnde Wille thematisiert, etwas an der Situation zu ändern: „Gesundheitspolitiker stellen sich taub, Krankenversicherer gehen der Sache nicht nach”, heißt es. Und es könnte noch schlimmer werden, erklärt Apotheker Stadler gegenüber der SZ. Denn einige Kassen haben die Versorgung mit Zytostatika europaweit ausgeschrieben. Eine wohnortnahe Versorgung für jeden Patienten, wie sie derzeit üblich ist, ist dann nicht mehr möglich. Doch „europaweit könne man innerhalb der kurzen Haltbarkeitszeiten doch gar nicht liefern“, wird Stadler zitiert. Dadurch wird seiner Ansicht nach der Preisdruck noch erhöht und damit auch der Anreiz, die Zytostatika über die Haltbarkeit hinaus zu benutzen.



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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1 Kommentar

warum gerade jetzt?

von Dr. Thomas Müller-Bohn am 13.07.2016 um 15:32 Uhr

In den Radionachrichten von NDR 1 Welle Nord, dem Regionalprogramm in Schleswig-Holstein, war das heute morgen auch ein Thema, als sei es eine Neuigkeit. Warum ist das plötzlich so interessant? Soll damit vielleicht der Boden für Zytostatika-Ausschreibungen bereitet werden? Denn bei stärkerer Konzentration der Herstellung in weniger Apotheken steigt zumindest theoretisch die Chance die Verwürfe zu minimieren.

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