Nahrungsergänzung

Fatburner enthält Asthmamittel – ist das erlaubt?

Stuttgart - 11.07.2016, 09:30 Uhr

Lipo 100 Hardcore wird nicht über Apotheken, sondern über Fitnessshops vertrieben (Foto: Screenshot / DAZ)

Lipo 100 Hardcore wird nicht über Apotheken, sondern über Fitnessshops vertrieben (Foto: Screenshot / DAZ)


Als „idealer Fatburner für Profis, für alle, die ihre Muskeln maximal definieren wollen", wird Lipo 100 Hardcore angepriesen. In zahlreichen Fitnessshops ist es erhältlich. Neben Zink, Coffein und L-Carnitin enthält das Nahrungsergänzungsmittel mit Theophyllin einen Wirkstoff, der in Arzneimitteln verschreibungspflichtig ist.

„Abnehmwillige, die schnell ein paar Pfunde verlieren möchten, um eine knackige Bikinifigur zu bekommen, Personen, die es schwer haben, Körperfett abzubauen oder Bodybuilder“ – für diese Personengruppen soll sich der Fatburner Lipo100 Hardcore eignen. So schreibt es der Hersteller, die Body Attack Sports Nutrition GmbH & Co. KG, auf ihrer Website. Neben einem „innovativen Komplex“ aus 14 Pflanzenextrakten, sekundären Pflanzenstoffen, Zink, Cholin, Coffein, B-Vitaminen, L-Tyrosin, Jod, L-Carnitin sowie Chilli und schwarzem Pfeffer-Extrakt, soll das Mittel ein weiteres Xanthin-Derivat enthalten – Theophyllin.

Schluckt man die empfohlene Tagesdosis von drei Kapseln Lipo Hardcore 100 Fat Burner, nimmt man 25 mg Theophyllin zu sich. Das verraten die Nährwertangaben des als Nahrungsergänzungsmittel (NEM) vertriebenen Schlankheitsmittels, das in einschlägigen Internetshops zu haben ist.

Das ist zugegebenermaßen verhältnismäßig wenig. Zum Vergleich: wird Theophyllin therapeutisch bei Asthma eingesetzt, sind für einen 70 Kilo schweren Erwachsenen Tagesdosen zwischen 11 und 18 mg pro Kilogramm Körpergewicht üblich. 

screenshot

Keine gesetzliche Grundlage für ein Verbot

Theophyllin, ein Wirkstoff mit enger therapeutischer Breite, ist in der Anlage I der Arzneimittelverschreibungs-Verordnung (AMVV) gelistet und somit in Arzneimitteln verschreibungspflichtig. Eine Einschränkung für bestimmte Zubereitungen gibt es bei Theophyllin nicht. Das heißt, ein Arzneimittel, das dieselbe Menge Theophyllin enthält wie Lipo 100 Hardcore, wäre nur auf Rezept zu haben. Lipo 100 Hardcore ist aber als Nahrungsergänzungsmittel auf dem Markt, und dort greift die AMVV nicht.

Zuständig sind in so einem Fall die Überwachungsbehörden der Länder. Im Fall von Lipo 100 Hardcore, das von einer Firma mit Sitz in Hamburg vertrieben wird, ist es die Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz in Hamburg. Dort kennt man das Produkt bereits, erklärte ein Sprecher gegenüber DAZ.online. Er berichtet weiter, dass bereits Proben genommen wurden. Außerdem soll ein Gutachten erstellt werden. Das Verfahren konnte jedoch bis jetzt nicht abgeschlossen werden, da das Bundesinstitut für Risikobewertung um eine entsprechende Risikobewertung gebeten wurde. Diese läge bis dato allerdings noch nicht vor.

Für ein Verbot von Lipo 100 Hardcore gibt es also derzeit keine gesetzliche Grundlage. Es bleibt abzuwarten, ob die Gutachten zu dem Schluss kommen, dass von dem Fatburner ein Risiko ausgeht. Erst dann können die Überwachungsbehörden tätig werden. Bis dahin kann ein NEM, das eine Substanz enthält, die als Arzneimittel rezeptpflichtig wäre, legal vertrieben werden. 

screenshot

Undurchsichtiger NEM-Markt 

Lipo 100 Hardcore ist ein Beispiel von vielen für die regulatorischen Schwierigkeiten im Bereich der Nahrungsergänzungsmittel. Im Gegensatz zum streng regulierten Arzneimittelmarkt gibt es wenig klare Regeln. Ob ein Präparat ein NEM oder ein Arzneimittel ist, hängt nicht von Art und Menge der wirksamen Bestandteile ab, sondern von der Zweckbestimmung. Um als NEM deklariert werden zu dürfen, müssen beispielsweise folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

Das Präparat muss laut Nahrungsergänzungsmittelverordnung (NemV) dazu bestimmt sein, „die allgemeine Ernährung zu ergänzen und in dosierter Form, […] in abgemessenen kleinen Mengen in den Verkehr gebracht werden“. Dann bedarf es im Gegensatz zum Arzneimittel keiner Zulassung.

Ein Arzneimittel hingegen wird per Definition zur Heilung oder Linderung oder zur Verhütung von Krankheiten oder krankhafter Beschwerden eingesetzt.

Oder es dient dazu, die physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen oder eine medizinische Diagnose zu erstellen.

Wenn sich dann aber für ein und denselben Wirkstoff die Health Claims der Nahrungsergänzungsmittel mit den zugelassenen Indikationen der Arzneimittel überschneiden, wird es komplett unübersichtlich. Dann ist es sogar für Fachkreise nicht nachvollziehbar, warum Nahrungsergänzungsmittel vertrieben werden dürfen, die höher dosiert sind als verschreibungspflichtige Arzneimittel – wie es zum Beispiel bei Vitamin D der Fall ist. 

Obergrenze bei Vitamin D

Allerdings gibt es hier mittlerweile eine Empfehlung für eine Obergrenze für NEM. Sie wurde von einer Expertenkommission der zuständigen Bundesoberbehörden, Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) und Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), herausgegeben. 

Dort heißt es: „Bis zu einer Tagesdosis von 20 μg Vitamin D kann im Kontext der Ernährung/Nahrungsergänzung noch von einer ernährungsspezifischen beziehungsweise einer physiologischen Wirkung ausgegangen werden […]. Präparate bis zu einer Tagesdosis von 20 μg Vitamin D können daher als Nahrungsergänzungsmittel gemäß § 1 NemV eingestuft werden. Allerdings nur, wenn alle lebensmittelrechtlichen Anforderungen erfüllt und die empfohlenen Anwendungsgebiete nicht eine Einstufung als Arzneimittel rechtfertigen.“ Bei Tagesdosen, die diese Grenze überschreiten, sieht die Expertenkommission keine „ernährungsspezifische oder physiologische Wirkung im Kontext der Ernährung“ mehr. Entsprechende Präparate wären also nicht mehr als NEM einzustufen, sondern müssten als Arzneimittel zugelassen werden. 

Im Zweifel die Aufsichtsbehörde kontaktieren 

In der Praxis müssen die regional zuständigen Behörden jedes Präparat einzeln beurteilen. Daher rät die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker, sich bei Zweifeln, ob ein Präparat tatsächlich als Nahrungsergänzungsmittel vertrieben werden darf, an die regional zuständige Behörde zu wenden. 



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


Diesen Artikel teilen:


Das könnte Sie auch interessieren

Fallberichte zu Hypercalcämie sollen für Risiken einer unkontrollierten Einnahme sensibilisieren

AkdÄ warnt vor zu viel Vitamin D

Neue Studienergebnisse zu antiasthmatischen und kardialen Effekten

Alleskönner Vitamin D?

Stellungnahme des Bundesinstituts für Risikobewertung

Vitamin D plus Vitamin K – was Apotheker wissen sollten

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.