Phytotherapie

Ist Artemisia-Tee gegen Malaria sinnvoll oder Leichtsinn?

München - 05.07.2016, 11:00 Uhr

Die WHO rät von Artemisia-Tee ab, der auch hier von Apotheken vertrieben wird. (Foto: emer / Fotolia)

Die WHO rät von Artemisia-Tee ab, der auch hier von Apotheken vertrieben wird. (Foto: emer / Fotolia)


Wie wirksam ist Artemisia-Tee?

Zu der zentralen Frage gibt es wenige Daten. Zwei Studien stehen exemplarisch für den Streit um den Korbblütler.
Die WHO zitiert gerne eine 2004 im Kongo durchgeführte, kontrollierte Studie, welche die Wirksamkeit und Sicherheit definierter Artemisia-Teeaufgüsse bei 132 erwachsenen Patienten mit unkomplizierter Malaria (Parasitämie > 2000/µl und klinische Malariasymptome) untersuchte. Die Kranken tranken eine Woche lang über den Tag verteilt einen Liter Tee aus 5 g bzw. 9 g Blättern von Artemisia annua, oder erhielten 1.500 mg/d Chinin. Die Teeaufgüsse enthielten 47 bzw. 94 mg/L Artemisinin. Die Heilungsrate an Tag sieben, definiert als Parasitenfreiheit, lag bei 77 Prozent bzw. 70 Prozent unter der Teetherapie und bei 91 Prozent unter Chininsulfat. In allen Therapiearmen besserten sich binnen drei Tagen die meisten Malariasymptome oder verschwanden ganz. Die Autoren bemängelten aber die unter der Teetherapie häufigere Wiederkehr der Parasitämie im Zeitraum von vier Wochen nach Therapieende („recrudescence“). Mangels Langzeitwirkung und der Gefahr der Resistenzbildung könne die Teebehandlung nicht als Malariatherapie empfohlen werden, schließen die Autoren.

Eine aktuelle Studie, durchgeführt in Bénin in Westafrika an 130 Malariakranken ab zehn Jahre  (Parasitämie > 1000/µl und klinische Malariasymptome) verwendete einen vor Ort angebauten Artemisia-Cultivar mit nur 0,3 Prozent Artemisinin. Ein Teeaufguss aus 12 g Blättern je Liter enthielt rund 36 mg des Wirkstoffs. Die Patienten tranken wie in der o.g. Studie viermal täglich einen Viertelliter während sieben Tagen. 82 Prozent der Patienten waren binnen 24 Stunden fieberfrei, bei einer Reduktion der Parasitämie von 98 Prozent nach 24  bzw. 100 Prozent nach 36 Stunden. Im Unterschied zu der Studie von Müller wurden auch keine Rückfälle beobachtet. Die Autoren schlussfolgern, dass der Tee eine wirksame und kostengünstige Alternative zur Reinsubstanz in Tabletten ist. Sie postulieren angesichts der relativ niedrigen Artemisininkonzentration im Aufguss weitere antiplasmodisch wirksame Inhaltsstoffe. 
Unbestritten wirkt also Artemisia-Tee in ausreichender Konzentration gegen Plasmodien; aber über das Ausmaß der Wirksamkeit und die Resistenzgefahr gehen die Meinungen dann weit auseinander. Auffällig ist, dass für westliche Forscher das Thema ein No-go ist; Forschung findet nur vereinzelt statt. Big Pharma ist ohnehin nicht interessiert.



Ralf Schlenger, Apotheker. Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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