Irland

Arzneimittel-Drohne fliegt Abtreibungspille über die Grenze

Berlin - 27.06.2016, 13:45 Uhr

Abtreibungspille via Drohne: Frauenrechtsaktivistinnen haben eine Drohne mit Mifegyne bepackt und sie von Irland nach Nordirland über den Newry River geschickt. (Foto: Marc Godefroy)

Abtreibungspille via Drohne: Frauenrechtsaktivistinnen haben eine Drohne mit Mifegyne bepackt und sie von Irland nach Nordirland über den Newry River geschickt. (Foto: Marc Godefroy)


In einer einmaligen PR-Aktion hat eine Arzneimittel-Drohne zwei Abtreibungsmedikamente über die Grenze von Irland nach Nordirland geflogen. Sowohl in der Republik Irland als auch in Nordirland sind Abtreibungen aus nicht-medizinischen Gründen unter Androhung von Gefängnisstrafen verboten.

Trotz UN-Mahnung: Lebenslange Haftstrafen in Irland

In Irland und dem zum Vereinigten Königreich gehörenden Norden der irischen Insel gelten sehr strenge Abtreibungsgesetze. Das irische Parlament hatte erst 2013 ein neues Gesetz erlassen, nach dem es verboten ist, „ungeborenes menschliches Leben absichtlich zu töten“. Ausnahmen davon gibt es nur, wenn das Leben der Mutter oder des Kindes bedroht ist oder wenn die Mutter aufgrund der Schwangerschaft selbstmordgefährdet ist. Frauen, die gegen dieses Gesetz verstoßen, müssen mit einer bis zu 14-jährigen Gefängnisstrafe rechnen. Erst kürzlich hatten die Vereinten Nationen (UN) die Republik Irland ermahnt, eine zeitgerechtere Regulierung zu formulieren. Schon in den vergangenen Jahren hat sich in Irland ein regelrechter „Abtreibungs-Tourismus“ entwickelt – immer mehr irische Frauen gehen ins Ausland, um ihre Schwangerschaft zu beenden.

In Großbritannien gelten seit 1967 liberalere Abtreibungsgesetze. Das nordirische Parlament hat bis heute allerdings darauf verzichtet, diese Gesetze zu übernehmen. Deswegen gilt dort ein jahrhundertealtes Gesetz, nach dem Abtreibungen nur in sehr wenigen Notfällen erlaubt sind. Widerstößt eine Frau gegen dieses Gesetz, droht ihr eine lebenslange Haftstrafe. Erst im April 2016 war eine Frau zu einer Haftstrafe verurteilt worden, weil sie sich das Abtreibungsmedikament Mifegyne (Mifepriston) über das Internet bestellt und damit ihre Schwangerschaft beendet hatte. Das oberste nordirische Gericht hatte in einem Urteil befunden, dass das Abtreibungsgesetz gegen die EU-Konvention für Menschrechte verstoße. Die Regierung will das britische Gesetz trotzdem nicht übernehmen.

Kurioserweise ist die „Pille danach" aber in beiden Ländern erlaubt und sogar freiverkäuflich als OTC-Medikament in Apotheken erhältlich. Großbritannien war eines der ersten europäischen Länder, das die Verschreibungspflicht für Not-Kontrazeptiva aufgehoben hatte. In Irland können Frauen ab 18 die „Pille danach“ seit 2011 ohne Rezept kaufen.

Um auf die aus ihrer Sicht zu strikten Gesetze hinzuweisen, haben mehrere Menschenrechts- und Frauenorganisationen jetzt eine öffentlichkeitswirksame Aktion gestartet. Eine Drohne mit den beiden Arzneimitteln Mifegyne (Mifepriston) und Misoprostol flog über den irisch-nordirischen Grenzfluss Newry River. Mehrere Frauenaktivistinnen nahmen die Drohne entgegen. Zwei von ihnen wendeten vor den Augen der Zuschauer das Mifepriston an. Die Organisation „Women on Waves“ wollte nicht beantworten, ob die Frauen, die das Präparat einnahmen, auch wirklich schwanger waren. Solche Fragen fielen unter die ärztliche Schweigepflicht.

War der Drohnen-Flug überhaupt erlaubt?

Die Kombination Mifepriston-Misoprostol ist auch hierzulande Standard für die Abtreibung mit Medikamenten innerhalb der ersten neun Wochen der Schwangerschaft. Mifepriston ist ein Antigestagen, das bewirkt, dass der Embryo aus der Gebärmutter herausgelöst wird und innerhalb von maximal 48 Stunden stirbt. Wenn diese Zeit abgelaufen ist, muss die Frau zusätzlich ein Prostaglandin, zum Beispiel Misoprostol, einnehmen. Dieses erweicht den Muttermund und führt zur Abstoßung des toten Embryos. Beide Präparate dürfen nur unter ärztlicher Aufsicht eingenommen werden und sind daher auch nicht mit einem Rezept in der Apotheke erhältlich.

Sowohl in Irland als auch in Nordirland könnten die Aktivisten allerdings gleich gegen eine ganze Reihe von Gesetzen verstoßen haben. Dabei sind natürlich die strengen Abtreibungsgesetze beider Länder zu nennen. „Women on Waves“ bezieht sich aber auf mehrere Menschenrechte, beispielsweise auf das Recht auf Gesundheit und das Recht auf lebenswichtige Medikamente. Zudem weist die Organisation darauf hin, dass beide versendeten Arzneimittel von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) seit 2005 als „unentbehrlich“ eingestuft sind.

Arzneimittel-Drohne ist auch schon über die Oder geflogen

Fraglich ist auch, ob der Arzneimittel-Export via Drohne erlaubt ist. Was das Rezept betrifft, argumentieren die Aktivisten richtigerweise, dass ärztliche Verordnungen in Apotheken innerhalb der EU überall anerkannt werden müssen. In Großbritannien herrschen allerdings strenge Regulierungen zu Drohnen-Flügen. Die Geräte dürfen nicht für kommerzielle Zwecke genutzt werden, dürfen sich nicht aus dem Blickfeld der „steuernden“ Person entfernen und sich nur bis auf 50 Meter anderen Fahr- oder Flugzeugen nähern. Außerdem benötigt man eine Zulassung für jede Drohne. Alle diese Bedingungen seien bei dem Flug am Newry River allerdings erfüllt worden, so „Women on Waves“.

Die Frauenorganisation hat auch schon in Deutschland eine ähnliche Kampagne  unternommen. Neben Irland, Nordirland gibt es nämlich nur noch zwei andere europäische Staaten, in denen es ähnlich strenge Abtreibungsgesetze gibt: Polen und Nordirland. Im Sommer startete daher eine mit den gleichen Medikamenten bepackte Drohne in Frankfurt (Oder) und flog über den Grenzfluss Oder in die polnische Stadt Slubice.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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