Kongress in Karlsruhe

Heilpraktiker blicken optimistisch in die Zukunft

Karlsruhe - 20.06.2016, 10:30 Uhr


Beim Deutschen Heilpraktikertag in Karlsruhe wurde die erste große Bestandsaufnahme des Berufsstands seit 15 Jahren vorgestellt. Die meisten Heilpraktiker sehen ihre wirtschaftliche Entwicklung positiv. Die Umfrage soll auch Vorurteile bezüglich mangelnder Schulbildung korrigieren: 58 Prozent der Umfrage-Teilnehmer haben Abitur.

Großes Spektrum an Anbietern

„Die Leute, die da drin sind, sollen saugesund sein“, sagte eine Passantin, als sie am Wochenende an der Karlsruher Stadthalle vorbeikam. Wie jedes Jahr hatte der Dachverband Deutscher Heilpraktikerverbände zum nun 26. Deutschen Heilpraktikertag nach Karlsruhe geladen. Liegt die vermeintliche Vitalität an „Nasenreflextherapien“, Schüßler-Salzen gegen Myome oder an der kausalen, regenerativen Lebertherapie, die in Vorträgen vorgestellt wurden?

Man könnte tatsächlich den Eindruck haben, dass Krankheit doch eigentlich ein Konzept der Vergangenheit sein müsste. Ob Globuli mit oder ohne Homöopathie, Gelee Royal mit Ginseng oder Selbstheilung mit Frequenzen: Das „große Kongressereignis“ hält für jede Lebenslage etwas bereit. Nicht nur die großen Anbieter wie die DHU, Wörwag oder Medice sind vertreten, sondern beispielsweise auch ein Aussteller, der noch vor einem Jahr als Finanzbeamter keine Ahnung von der Welt hatte, in die er zwischenzeitlich eintrat.

Heilung durch Lichtglobuli?

Nun preist er Globuli an, die von ihm energetisiert und personalisiert wurden. Ist es nicht sehr aufwändig, neue Produkte an den Markt zu bringen? Ja, sagt er – aufgrund der nötigen Investitionen in die Werbung. Zulassungen oder anderes seien nicht nötig, da es sich – materiell gesehen – nur um Zucker handele. Er verkaufe seine Kügelchen nicht als Arznei-, sondern als Lebensmittel. „In homöopathischen Mitteln kommt ja ein Wirkstoff-Molekül auf den Bodensee“, sagt er etwas verschmitzt – bei ihm gäbe es so etwas nicht. Heilungsversprechen würde er auch nicht geben, trotz des Wortes „Heilung“ auf der Homepage-Adresse. Allerdings würde ihn die Zuckersteuer betreffen, wenn sie käme. Dann müssten seine „Lichtglobuli“ wohl etwas mehr kosten, als die aktuell rund 20 Euro.

Einen der wohl aufschlussreichsten Vorträge hielt Arne Krüger, selber Heilpraktiker und Vorsitzender der Stiftung deutscher Heilpraktiker. Er stellte eine Auswertung der ersten großen Umfrage unter Heilpraktikern seit 15 Jahren vor. Ziel der großangelegten Befragung war es, verlässliche Daten zu sammeln: Anders als Apotheker oder Ärzte sind Heilpraktiker nämlich weder Pflichtmitglied in Verbänden noch in Kammern, weshalb es auch kaum Informationen über sie gibt. „Wir wollten vernünftiges Zahlenmaterial haben“, sagte Krüger gegenüber DAZ.online. Auch um dem Vorurteil zu begegnen, Heilpraktiker hätten oft eine schlechte Schulbildung. 

Gut jeder zweite mit Abitur

Immerhin 58 Prozent der Heilpraktiker, die antworteten, machten ihr Kreuz beim Feld „Hochschulreife“, weitere 38 Prozent gaben einen mittleren Schulabschluss an. Rund die Hälfte hatte eine Ausbildung absolviert, ein gutes Viertel einen Hochschulabschluss. Die aus seiner Sicht hohen Anteile sieht er als überraschendstes Ergebnis der Umfrage an, sagte Krüger.

Zurückgemeldet hatten sich 768 Frauen und 273 Männer – angesichts der laut Statistischem Bundesamt rund 43.000 in der „Heilkunde und Homöopathie“ tätigen Personen in Deutschland sind die Zahlen allerdings wohl kaum repräsentativ.

Dabei wurden auch grundlegende Fragen zum Praxisbetrieb gestellt. 36 Prozent aller Umfrage-Teilnehmer gaben an, dass sie bis zu zehn Patientenkontakte pro Woche hätten, bei weiteren 38 Prozent sind es bis zu 30. Durchschnittlich verdienten sie dabei rund 960 Euro – mit einer breiten Spanne: Ein Heilpraktiker gab einen Wochenverdienst von 15.000 Euro an, ein anderer trug 2 Euro ein. Krüger vermutete, dass letzterer Kollege vielleicht die eine oder andere Null vergessen haben könnte. Bei rund jeder sechsten Antwort lag der Wochenverdienst oberhalb von 1.500 Euro.

Wird zu Recht gejammert?

Mit der wirtschaftlichen Situation zeigten sich die Umfrage-Teilnehmer zufrieden. Bei jedem zweiten Heilpraktiker steigt der Umsatz laut Selbstauskunft kontinuierlich, nur jeder zehnte meldete eine negative Entwicklung. Entsprechend sehen 58 Prozent ihre wirtschaftliche Zukunft positiv, nur 9 Prozent sind pessimistisch. Krüger versteht angesichts der Zahlen die offenbar schlechte Stimmung bei vielen Heilpraktiker-Treffen nicht. „Gehen in die Verbandsversammlungen nur die, die jammern?“, fragte er.

Allerdings gaben nur 40 Prozent der Teilnehmer an, dass ihre Einnahmen aus der heilberuflichen Praxis für die Existenzsicherung reichen – jeder knapp dritte Teilnehmer gab an, im Nebenerwerb tätig zu sein. Dies dürfte allerdings noch deutlich zu wenig sein: Wahrscheinlich haben Vollzeit-Heilpraktiker überdurchschnittlich an der Umfrage teilgenommen.

Makaber fand Krüger einen Kollegen, der ein Wochenhonorar von 2.000 Euro eintrug und gleichzeitig sagte, seine wirtschaftlichen Erwartungen hätten sich nicht erfüllt. „Mit welchen Erwartungen geht der in den Heilpraktiker-Beruf?“, fragte Krüger. 

Traditionelle Einzelkämpfer

Die meisten Kollegen sind Einzelkämpfer: Nur jeder fünfte der Umfrage-Teilnehmer hat Angestellte. Dies sei die Folie, die er Politikern eher nicht zeigen würde, sagte Krüger – denn Heilpraktiker engagieren sich kaum in der Ausbildung, weder von Medizinisch-Technischen-Angestellten noch beispielsweise von Praxishelfern. 85 Prozent der Heilpraktiker wurden in entsprechenden Schulen ausgebildet, die Krügers Einschätzung nach zumindest in Berlin zum großen Teil durch Bildungsprämien des Bundesforschungsministeriums unterstützt werden. 6 Prozent gaben an, als Autodidakt zum Beruf gekommen zu sein.

Und wie therapieren sie? Knapp ein Drittel meldete, überwiegend „manuell“ zu arbeiten, während gut jeder fünfte hauptsächlich mit Arzneimitteln arbeitet und jeder zwölfte „energetisch“. Die genaue Auswertung, ob Homöopathie, Osteopathie oder Akupunktur als Sieger das Feld verlässt, läuft derzeit noch. Schwer sei laut Krüger die Zuordnung – arbeitet beispielsweise ein Homöopath überwiegend mit Arzneimitteln oder eher „energetisch“?

Ein traditioneller Berufstand?

Klar hingegen ist, dass Heilpraktiker so kommunizieren, wie sie nach ihrem Selbstverständnis therapieren – nämlich traditionell. Denn 52 Prozent der Umfrage-Teilnehmer schickten ihre Antwortbögen per Post, 32 Prozent per Fax und nur 16 Prozent wurden online eingereicht. „Man würde ja denken, dass nur noch wenige Menschen ein Fax haben“, sagte Krüger. Heilpraktiker seien aber sehr Fax-affin, das Gerät sei für den Berufsstand offenbar etwas ganz Wichtiges. Eine Vorliebe, die die Heilpraktiker mit anderen Akteuren im Gesundheitswesen offensichtlich teilen. So berichtete die AOK Baden Württemberg vergangene Woche im Rahmen  einer Pressekonferenz, dass das Fax bei Hausärzten das Hauptkommunikationsmittel ist. Ein Umstand, den man allerdings ändern will.

Doch weder bei den Heilpraktikern noch bei anderen Gesundheitsberufen wird sich hieran bis zum Kongress im nächsten Jahr wohl sehr viel tun. 



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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Stimmung bleibt stabil

1 Kommentar

Heilpraktiker sind

von Mr. MIR am 01.12.2016 um 18:58 Uhr

ges. gesch. Scharlatane!

https://www.psiram.com/ge/index.php/Heilpraktiker

Ramen.

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