Kossendeys Gegengewicht

Wenn das Virus in die Apotheke kommt…

15.06.2016, 18:45 Uhr

Technik kann Apothekern viel Arbeit ersparen - wenn sie tut, wie sie soll. (Foto: Roman Sigaev / Fotolia; Montage: DAZ.online)

Technik kann Apothekern viel Arbeit ersparen - wenn sie tut, wie sie soll. (Foto: Roman Sigaev / Fotolia; Montage: DAZ.online)


Rückbesinnung auf die Kernkompetenzen

Alle Zu- und Abgänge des Wochenstartes waren wie von Zauberhand verschwunden. Laut unseres Softwarehauses ein sehr gut gemachter Trojaner, der leider von der Firewall und dem Virusprogramm nicht erkannt wird. Wir wären noch gut dran, er hätte in der letzten Woche vier andere Kollegen gehabt, da wäre weit mehr gelöscht gewesen als bei uns. Was haben diese Computer-Nerds eigentlich davon, solche zerstörerischen Dateien zu basteln? Die merken selber doch gar nicht, ob jemand den Anhang ihrer Mail öffnet. Und bis in die Tagesschau schaffen es ja nur die wenigsten Trojaner.

Der Computer, auf dem sich das E-Mail-Programm befindet, musste sofort von uns abgestöpselt und abgebaut werden, um dann nach einer postalischen Reise wieder gereinigt zu uns zurück zu kommen. Wie gut, dass genau dieser Computer der Wareneingang mit Scanner ist. Mit weniger Personal steigert es die betriebliche Laune enorm, wenn die nächste Zeit der Wareneingang wieder händisch gemacht wird – back to the roots, Besinnung auf das Ursprüngliche. Das ist gelebtes Feng Shui in der Apotheke, die totale Entschleunigung.

Nichts für Hausstauballergiker

Die technischen Notwendigkeiten waren schnell erledigt, die eigentliche knifflige Aufgabe kam danach. Welche Kunden mit welchen Wünschen hat man am Vormittag bedient? Die Rezepte waren schnell neu eingeben und fertig. Aber die EC-Belege und die OTC-Kunden waren eine echte Denksportaufgabe. Sowohl meine Mitarbeiterin als auch ich standen vor der Sichtwahl und meditierten, in der Hoffnung beim Anblick eines bestimmten Medikamentes einen Vorgang parat zu haben. Wir haben es nicht geschafft, alle Abverkäufe zu rekonstruieren. Ich fand es erstaunlich, wie automatisiert einige Vorgänge in unserem Berufsalltag ablaufen, sodass es meinem Gehirn auch mit größter Anstrengung nicht möglich war, den Nebel der Routine etwas zu lüften.

Nachdem die Woche mit diesem IT-Knaller schon richtig Fahrt aufgenommen hatte, durften wir am heutigen Tag unsere zwei neuen Rezeptdrucker in Empfang nehmen. Da die einzige Hilfe, die man heutzutage beim Anschluss von elektronischen Geräten noch bekommt, die Fernwartung ist, war klar, dass wir Mädels die alten Drucker abbauen und die neuen anschließen mussten. Trainiert durch unser EC-Gerät, das schon so häufig von uns gebootet, deinstalliert, neu programmiert oder ausgetauscht werden musste – lediglich unterstützt von irgendwelchen Nicht-Technikern in einem Callcenter – stellten wir uns mutig dieser Aufgabe. Nichtsahnend, dass eine von uns damit dauerhaft beschäftigt sein würde.

Das Freiräumen des Computers unter der Kasse entpuppte sich als unlösbare Aufgabe für Hausstauballergiker – das waren keine Wollmäuse, das waren Wollratten. Eine Reise in die Vergangenheit der Apotheke, wenn Staubkörner nur erzählen könnten. Also wurde gesaugt, gewischt und geflucht – vor allem wegen der unzähligen Kabel, die hinter der Kasse aus allen Richtungen zu kommen schienen. Wir bauten vermeintlich überflüssige Kabel ab, zogen, zerrten und steckten, bis alles an seinem Platz war. Voller Stolz starteten wir den Computer neu, öffneten das Kassenprogramm, um festzustellen, dass der Drucker angeschlossen, aber dafür die Tastatur tot war.

Hilfsmittel, die abhängig machen

Wie löst Frau so ein Problem? Sie zieht den Computer vor und zieht den USB-Anschluss der Tastatur raus, steckt ihn woanders rein, zieht ihn wieder raus und steckt ihn dann in den alten Anschluss – Simsalabim, die Tastatur geht wieder. Die Fernwartung hatte dann ein leichtes Spiel und gegen Feierabend endlich die Meldung: „Alle Drucker angeschlossen und funktionstüchtig!“ Wie schön die beiden beim Bedrucken der Rezepte rattern. Man lernt diese kleinen Dinge des Alltags zu schätzen, wenn das Vorgängermodell jedes zweite Rezept bis zur Unkenntlichkeit gefressen hat.

Und was lernen wir daraus? Zum einen, dass wir unsere Kernkompetenz definitiv nicht im IT-Bereich haben, sondern den Computer als Hilfsmittel für unsere pharmazeutische Beratung brauchen. Es ist erschreckend, wie sehr wir uns an die technische Unterstützung gewöhnt haben – ohne Computer läuft in der Apotheke heute nichts mehr. Und zum anderen öffnen wir so schnell keine Anhänge mehr, auch wenn der Bewerber noch so smart aussieht.



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