Reduzierung des Tabakkonsums

Der Schock wirkt

Stuttgart - 20.01.2016, 16:00 Uhr

Bisher beispielsweise in Australien, bald auch in Europa: Schockbilder auf Zigarettenpackungen. (Foto: DAZ.online)

Bisher beispielsweise in Australien, bald auch in Europa: Schockbilder auf Zigarettenpackungen. (Foto: DAZ.online)


Ab Mitte dieses Jahres sollen Schockfotos vom Zigarettenrauchen abhalten. Studien zeigen, dass sie tatsächlich abschreckend wirken und als glaubwürdig empfunden werden – doch es gibt Ausnahmen.

Wenn am 20. Mai die nächste Stufe der Tabak-Regulierung in Europa in Kraft tritt, müssen alle Tabakschachteln mit den neuen Schockerfotos bedruckt werden. Für den deutschen Gesetzgeber wird die Frist eng: Obwohl die EU-Richtlinie im April zwei Jahre alt wird, fehlt derzeit noch ein Tabakgesetz, das die Bestimmungen in deutsches Recht umsetzt. Einige wissenschaftliche Studien sollten den Parlamentariern Ansporn sein, die Einführung der abschreckenden Fotos nicht zu verzögern.

So berichteten US-amerikanische Psychologen Ende letzten Jahres in PLoS One, dass Zigarettenpackungen mit drastischen Bildern geeignet sein können, Rauchern den Tabakkonsum zu verleiden. Sie führten mit knapp 300 Teilnehmern, die zwischen fünf und 40 Zigaretten pro Tag rauchten und bisher nicht entschlossen waren, hiermit aufzuhören, eine randomisierte Studie durch. Einige der Probanden bekamen weiterhin ihre Zigarettenmarke mit dem üblichen Warnhinweis, bei anderen wurden die Packungen mit deutlich längeren Texten oder Schockfotos versehen. 

Glaubwürdig abschreckend

Nach vier Wochen wurden die Teilnehmer abschließend befragt. Hier gaben die Probanden, die den Schockbildern ausgesetzt waren, nicht nur ein gefühlt höheres Risiko fürs Rauchen an – sondern sie wollten auch vermehrt mit dem Rauchen aufhören.

Ebenso zeigte sich, dass die Raucher mit Schockfoto-Packungen diese Warnungen deutlich glaubwürdiger fanden, als dies für die Teilnehmer mit kurzen Texthinweisen der Fall war. Darüber hinaus stellten die Wissenschaftler einen negativen Effekt für die zusätzlichen langen Text-Warnungen fest: Wurden diese zusammen mit den Schockfotos abgedruckt, nahm die Glaubwürdigkeit überraschenderweise wieder ab.

Nicht leicht zu verdauen: Zigarettenschachtel aus Australien. (Foto: DAZ.online)

Sucht macht unerschrocken

Der Bonner Psychiater René Hurlemann hat jedoch in eigenen Untersuchungen herausgefunden, dass Schockfotos gerade dann nicht mehr helfen könnten, wenn sie besonders wichtig wären. Mit seinen Kollegen hatte er untersucht, wie Raucher auf emotionale Reize reagieren – und festgestellt, dass Raucher in abstinenten Phasen weniger stark auf negative Reize reagieren. Hierzu hatten sie abhängigen Rauchern im Kernspin glückliche, ängstliche oder neutrale Gesichter gezeigt und analysiert, wie die Durchblutung im Furchtzentrum des Gehirns hierauf reagiert.

„Wir haben die Ergebnisse so interpretiert, dass ein abhängiger Raucher nur auf Schockbilder reagiert, wenn er geraucht hat und zu Hause ist“, sagt Hurlemann. Wenn er jedoch auf „Entzug“ ist und sich zur Tankstelle aufmacht, könnten die Schockfotos ihren abschreckenden Effekt verlieren. „Ob das Schockbild auf der Packung den süchtigen Abhängigen davon abhält, die Packung zu kaufen, wage ich aufgrund unserer Befunde nicht zu sagen“, so der Psychiater.

Schockfotos sind vielfach hilfreich

Insgesamt befürwortet er die Einführung der Bilder. „Mit so einer Kampagne erreicht man Raucher, die im gesättigten Zustand sind – oder Raucher, die aufgehört haben“, sagt Hurlemann. Wahrscheinlich auch Leute, die noch nicht mit dem Rauchen begonnen hätten. Hinzu komme der soziale Druck, denn auch die Menschen in der Umgebung werden durch die Fotos immer wieder auf die Gefahren aufmerksam gemacht.


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