OTC-Werbung in Fachzeitschriften

Durchschnittsapotheker kennt „AWB“ nicht

Berlin - 10.09.2015, 14:05 Uhr

Das OLG Hamburg meint: Dem Durchschnittsapotheker ist die Abkürzung „AWB“ eher nicht bekannt. (Foto: contrastwerkstatt/Fotolia)

Das OLG Hamburg meint: Dem Durchschnittsapotheker ist die Abkürzung „AWB“ eher nicht bekannt. (Foto: contrastwerkstatt/Fotolia)


Bei der Werbung für OTC-Arzneimittel gibt es Grenzen, irreführende Angaben sind verboten. Das bekam auch Bayer zu spüren: Das Unternehmen hatte in der Deutschen Apotheker Zeitung für Canesten® Extra (Nagelset und Creme) mit der Angabe geworben, über 87 Prozent der Anwender hätten die sehr gute/gute Wirksamkeit des Nagelsets bestätigt. In einer Fußnote wurde zum Beleg auf „AWB“ verwiesen. Doch diese Art der Werbung wurde Bayer vom Oberlandesgericht Hamburg untersagt – ein Grund: Dem durchschnittlichen Apotheker sei die Abkürzung eher nicht bekannt.

Von einem anderen Wettbewerber wurde Bayer zunächst abgemahnt und dann auch gerichtlich auf Unterlassung in Anspruch genommen: Mehrere Angaben der Werbeanzeige aus dem Jahr 2013 verstießen aus seiner Sicht gegen wettbewerbsrechtliche Vorgaben. Während Bayer in Bezug auf die meisten von ihnen im Laufe des Verfahrens eine Abschlusserklärung abgab, stritt man im einstweiligen Rechtsschutzverfahren in einem Punkt bis zum Oberlandesgericht Hamburg (OLG).

Konkret ging es um die Angabe „Über 87 % der Anwender bestätigen sehr gute/gute Wirksamkeit des Nagelsets*”. Der Sternchenhinweis wurde im unteren Seitenbereich der Anzeige aufgelöst: „Quelle: AWB: H.-J. Tietz, N. Becker, Bifonazol in der Selbstmedikation bei Nagelmykosen, PZ 42/07, 152:30 - 36” (...). Aus Sicht des Mitwettbewerbers handelte es sich dabei um eine irrerührende Angabe (§ 3 HWG): Zum einen verstehe der angesprochene Fachkreis die Angabe „AWB“ als Abkürzung für den Begriff „Anwendungsbeobachtung“ nicht. Zum anderen weise die in Bezug genommene Anwendungsbeobachtung eine Reihe erheblicher methodischer Mängel auf.

Das OLG sieht es in seinem Urteil vom 29. Januar 2015 (Az. 3 U 81/14) ebenso: Es sei mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass maßgebliche Teile des angesprochenen Fachverkehrs – Apotheker und ihre Mitarbeiter – davon ausgingen, die Angabe sei auf der Grundlage gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse, insbesondere durch eine klinische Studie, getroffen worden. Denn in dieser konkreten Form werde nicht hinreichend deutlich, dass die Werbeangabe lediglich auf eine apothekenbasierte Anwendungsbeobachtung gestützt sei. Zumal die Buchstabenfolge „AWB“ dem angesprochenen Fachkreis nicht zuverlässig als Abkürzung bekannt sei.

Richter stützen sich auf eigene Sachkunde

Woher die Richter dies wissen, erklären sie folgendermaßen: „Dieses Verkehrsverständnis vermögen die Mitglieder des Senats, die sich hierbei auf ihre eigene Sachkunde und Lebenserfahrung stützen können, selbst zu beurteilen. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist die Beurteilung des Verkehrsverständnisses der Fachkreise, hier von Apothekern und deren Mitarbeitern, durch die Mitglieder des Gerichts jedenfalls dann möglich, wenn der Erkenntnisstand der Wissenschaft im Hinblick auf den maßgebenden Sachverhalt vorgetragen wurde und außerdem – wie hier – keine Anhaltspunkte dafür gegeben sind, dass der Fachverkehr die deutsche Sprache anders verstehen könnte als jemand, der ebenfalls ein wissenschaftliches Studium absolviert hat.“

Selbst wenn man davon ausginge, heißt es weiter, dass die Abkürzung doch bekannt sei, wäre die Werbeangabe gleichwohl irreführend. Der angesprochene Fachverkehr ginge dann nämlich davon aus, dass die zitierte Untersuchung im Hinblick auf die werbliche Angabe, deren Beleg sie erbringen soll, methodisch tragfähig sei. Doch das sei vorliegend nicht der Fall, da im Rahmen der Erhebung lediglich die nagelauf- und -ablösende Wirkung, nicht jedoch die antimykotische Wirkung des Nagelsets abgefragt worden sei. Zugelassen sei das Set aber für beide Wirkungen – weshalb der Fachverkehr die Aussage fälschlicherweise auch auf beide beziehe. Daher untersagte das OLG die Werbung.


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