Großbritannien

Wirbel um Preisauszeichnung teurer Arzneimittel

Remagen - 14.08.2015, 10:00 Uhr

In UK denkt man über ungewöhnliche Arzneimittel-Sparmaßnahmen nach. (Bild: waelkhalil/Fotolia)

In UK denkt man über ungewöhnliche Arzneimittel-Sparmaßnahmen nach. (Bild: waelkhalil/Fotolia)


Der britische Gesundheits-Staatssekretär Jeremy Hunt hat Anfang Juli 2015 mit einem unkonventionellen Vorschlag Aufsehen erregt, der nun nachhaltig die Gemüter erhitzt. Um die Patienten zu einem sorgsameren und sparsameren Umgang mit verordneten Medikamenten anzuregen, will er auf alle Arzneimittelpackungen, die mehr als 20 britische Pfund kosten, den Preis aufbringen lassen, zusammen mit dem Vermerk „finanziert vom britischen Steuerzahler“ („funded by the UK taxpayer“). Nächstes Jahr will er die Regelung einführen.

Die Widerstände gegen das Ansinnen des streitbaren Staatssekretärs sind groß. „Wir glauben, dass dies zwar oberflächlich betrachtet attraktiv sein mag, aber es gibt wenig Beweise dafür, dass es wirklich den gewünschten Effekt haben wird und nicht etwa unbeabsichtigte negative Folgen“, wird ein Sprecher von „Pharmacy Voice“, einem Zusammenschluss dreier großer Apotheker-Organisationen, in „The Guardian“ zitiert. Die Royal Pharmaceutical Society hat dort ebenfalls Skepsis geäußert, gesteht jedoch gleichwohl zu, dass es ein wichtiges Anliegen ist, vermeidbare Arzneimittelabfälle zu verringern.

Ein Editorial, das jüngst im „Drug and Therapeutics Bulletin“ vorab online  publiziert wurde, fährt noch eine etwas härtere Gangart. Man kenne keine Publikationen, die beweisen, dass es etwas bringt, wenn man die Patienten auf die Kosten ihrer Arzneimittel aufmerksam macht, heißt es dort klipp und klar. Diese Strategie komme auch in nationalen oder internationalen Leitlinien zur Verbesserung der Adhärenz nicht vor. Adhärenz könne genauso ein Problem für Menschen sein, die ihre Arzneimittel selbst bezahlen müssen.

Gefahr: Fehlinterpretation niedriger Preise

Vielmehr könne die Preis-Kennzeichnung von Arzneimitteln nicht beabsichtigte Konsequenzen haben. So könnten anfällige und ältere Menschen hierdurch Angst bekommen, sie seien eine Belastung für die Gesellschaft. Zudem bestehe die Gefahr, dass der Preis als Indikator für den Wert seines Medikamentes fehlinterpretiert werden könnte. Ein Patient mit einer Reihe von Medikamenten könne ein verzerrtes Verständnis seiner Behandlung bekommen, indem er zum Beispiel preiswerte Präparate für Herz-Kreislauferkrankungen als weniger wichtig erachte als hochpreisige Schmerzmittel.

Weiterhin werden praktische Erwägungen angeführt, wie etwa die Kosten für die Änderungen der Verpackungen. Im Übrigen seien viele Packungen bereits jetzt fast zu klein, um die obligatorischen Angaben darauf anzubringen. Eine weitere Überfrachtung der Verpackung mit „zusätzlichen Worten“ könne andere, weitaus wichtigere Informationen in den Hintergrund drängen und möglicherweise zu Anwendungsfehlern führen, wird argumentiert.

Außerdem habe der Durchschnittspreis für ein Arzneimittel in England im Jahr 2014 bei 8,32 britischen Pfund gelegen, und der Anteil der Präparate, die weniger als 20 Pfund kosten, sei ohnehin erheblich größer als der derjenigen, die preislich darüber liegen. „Die teuersten Medikamente sind diejenigen, die abgegeben, aber nie verwendet werden, aber es ist nicht klar, warum dieser schlagzeilenträchtige Gag zur Verbesserung der Adhärenz beitragen sollte“, lautet das giftige Fazit des Editorials.

 



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