Großbritannien

Apotheker erhalten Zugang zu Patientenakten

Remagen - 03.07.2015, 09:50 Uhr

In Großbritannien sollen Apotheken tiefer in Patientendaten blicken können. (Foto: vege/Fotolia)

In Großbritannien sollen Apotheken tiefer in Patientendaten blicken können. (Foto: vege/Fotolia)


Alle Apotheken in England sollen in naher Zukunft auf die Gesundheitsakten von Patienten (Summary Care Records, SCR) zugreifen können. Ein SCR ist ein zentral geführter elektronischer Datensatz mit wichtigen klinischen Informationen, einschließlich der Medikation, etwaigen Allergien und bekannten Nebenwirkungen. Nach einem erfolgreichen Pilotprojekt unter Einbeziehung von über 140 Apotheken hat der National Health Service (NHS) England das Health and Social Care Information Centre damit beauftragt, die Offizinapotheken in England zu unterstützen und den Zugang zu den Gesundheitsakten zu implementieren. Die Umsetzung wird voraussichtlich im Herbst 2015 beginnen.

Mehr als 96 Prozent der englischen Bevölkerung haben einen SCR. Er wird im gesamten NHS an vielen Stellen bereits erfolgreich eingesetzt. Zugang haben bislang – mit Zustimmung des Patienten – autorisierte medizinische Fachkräfte, unter anderem auch  Krankenhausapotheken, und zwar zeitlich unbeschränkt.

Ob das auch für die öffentlichen Apotheken möglich und sinnvoll ist, sollte zunächst ein Pilot-Projekt (Proof of Concept-Projekt) untersuchen. In dessen Laufzeit von September 2014 bis März 2015 gab es mehr als 1900 Zugriffe auf Patientenakten. Der Ergebnis-Bericht  offenbart mehr als überzeugende Erkenntnisse:

  • 85 Prozent der Apotheker äußerten Zustimmung oder starke Zustimmung, dass sie mit dieser Option nicht mehr so oft den Hausarzt des Patienten kontaktieren müssen.
  • Bei 92 Prozent der Zugriffe konnte der Verweis des Patienten an eine andere Einrichtung der Gesundheitsversorgung verhindert werden.
  • Durch 18 Prozent der Konsultationen wurde das Risiko eines Verschreibungsfehlers vermieden.
  • 73 Prozent der Zugriffe halfen, Medikationsfehler zu verhindern.

Das bringt etwas!

Unter dem Strich sind sich nach dem Bericht alle – also NHS, Apotheker, Ärzte und Patienten – einig: Das bringt wirklich etwas. Auch der Bedarf scheint da zu sein. Zwar ist die Anzahl der Zugriffe mit durchschnittlich etwa drei pro Monat etwas hinter den Erwartungen zurückgeblieben.  Übertragen auf alle Apotheken in England ergeben sich hieraus jedoch immerhin mehr als 400.000 Konsultationen der SCR pro Jahr, rechnet der Report vor.

Der für den Bereich zuständige Staatsminister im Department of Health Alistair Burt kommentiert: „Apotheker sind eine ungenutzte Ressource in unserem Gesundheitssystem. Als Arzneimittel-Experten können sie auch den Hausärzten etwas vom dem Druck nehmen, der auf ihnen lastet. Deshalb macht es durchaus Sinn, ihnen dort, wo es sinnvoll ist, Zugriff auf die Gesundheitsakte zu gewähren. Wir werden nun bis zu 7,5 Millionen Pfund investieren, um die Apotheker für die Aufgabe entsprechend zu schulen und das Handwerkszeug hierfür zur Verfügung zu stellen. Ich ermutige alle Apotheker dazu, hier mitzumachen.“

Der Bericht über die Schlüssel-Ergebnisse aus dem Pilot-Projekt ist hier abrufbar.


Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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