Wegen zunehmender Beschwerden

Grüne machen Hilfsmittelversorgung zum Thema

Berlin - 24.06.2015, 09:55 Uhr

Wegen der Ausschreibungspraxis der Kassen steigen viele Apotheken aus der Hilfsmittelversorgung aus. (Foto: ABDA)

Wegen der Ausschreibungspraxis der Kassen steigen viele Apotheken aus der Hilfsmittelversorgung aus. (Foto: ABDA)


Seit die gesetzlichen Krankenkassen mit Leistungserbringern Verträge zur Hilfsmittelversorgung abschließen können, ist nicht nur der Anteil der Hilfsmittel, den Kassen über Ausschreibungsverfahren beziehen, deutlich gestiegen. Auch Beschwerden haben zugenommen, wie die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in einer Kleinen Anfrage feststellt. Mit zahlreichen Fragen zur aktuellen Situation und den Plänen der Bundesregierung bringt die Fraktion das auch für Apotheker derzeit unbefriedigende Thema aufs Tapet.

Die Grünen verweisen auf Qualitätseinbußen in der Hilfsmittelversorgung, die sowohl durch Patienten und pflegende Angehörige als auch durch Prüfungen des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) festgestellt und dokumentiert wurden: Beschwerden beziehen sich auf nicht bedarfsdeckende Mengen sowie auf qualitativ minderwertige Hilfsmittel, die den Patienten häufig unkoordiniert und nicht termingerecht, von verschiedenen Leistungserbringern aus dem gesamten Bundesgebiet geliefert würden. Beratung und Einweisung der größtenteils über den Versandweg eintreffenden Hilfsmittel seien häufig nicht ausreichend und auch notwendige Anpassungen oder Reparaturen würden unterlassen.

Wie soll es weitergehen?

Weitere Problemanzeigen beziehen sich laut den Grünen darauf, dass sich „durch die bundesweite Ausschreibungspraxis einiger Krankenkassen jahrelang gewachsene und erprobte, regionale Versorgungsstrukturen auflösen“. Damit könnten die Versorger vor Ort  ihr Dienstleistungsangebot wie etwa Notdienste und Beratungen aus Rentabilitätsgründen nicht mehr aufrechterhalten. Aufgrund der niedrigen Preise, die Ausschreibungsgewinner für ihre Produkte ansetzten, könne oft der geforderte Qualitätsanspruch nicht mehr gewährleistet werden. Patienten müssten in der Folge die Mehrkosten für ein qualitativ annehmbares Produkt aus der eigenen Tasche bezahlen – „Berichte zu Qualitätsmängeln bei der Inkontinenzversorgung deuten in diese Richtung“.

Von der Bundesregierung wollen die Abgeordneten um Maria Klein-Schmeink daher Antworten auf einige Fragen: unter anderem zur Information der Versicherten durch die Kassen, zum Umfang, in dem die Kassen Hilfsmittel über Ausschreibungen beziehen, zu Beschwerden bei der Hilfsmittelversorgung, zur Ablehnungspraxis der Kassen und zur Zunahme von privat geleisteten Aufzahlungen durch Patienten. Sie fragen auch danach, welche Schritte die Regierung erwägt, um „Dumpingeffekte bei  Ausschreibungsverfahren für Hilfsmittel durch Loslimitierungen und die Begrenzung gleicher Leistungserbringer für mehrere Ausschreibungen einzudämmen“ und die Qualitätsansprüche sicherzustellen.

Inko-Online-Petition verlängert

Die Folgen der Entwicklung im Hilfsmittelbereich bekommen auch Apotheker massiv zu spüren. Der von der AOK vorgelegte neue Vertrag zu Inkontinenzhilfen im Saarland etwa hatte erst kürzlich für Aufregung gesorgt. Von einem Knebelvertrag sprach der Saarländische Apothekerverein – und vom Abschied des Sachleistungsprinzips. Am Ende lehnte er den Abschluss des Vertrags ab. Im Interesse der Patienten sammelt derzeit der Selbsthilfeverband Inkontinenz in einer Online-Petition Unterschriften für eine bedarfsgerechte Versorgung mit Inkontinenzhilfen ohne Aufzahlung. Ursprünglich sollte die Petition bis zum 11. Juni laufen. Sie wurde aber bis 11. September verlängert. Von den benötigten 50.000 Unterschriften sind bislang rund 14.000 zusammengekommen.


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