Kommentar

Nichts geht ohne Daten

24.04.2015, 15:00 Uhr

Ohne Daten keine Überzeugungskraft. (Foto: vege/Fotolia)

Ohne Daten keine Überzeugungskraft. (Foto: vege/Fotolia)


Süsel - Für Behörden existiert nur, was dokumentiert ist. Diese in der Zusammenarbeit mit Krankenkassen manchmal frustrierende Erkenntnis gilt auch an anderer Stelle, beispielsweise bei der Bundesagentur für Arbeit. Da die meisten Stellen in Apotheken ohne die Agentur besetzt werden, ist die Personalknappheit bei pharmazeutischen Berufen dort nicht aktenkundig. Dies mag Praktiker befremden, ist aber durchaus logisch. Wirklich erstaunlich ist allerdings, dass dies nicht etwa auf der Bundesebene bei der ABDA auffällt, sondern dank des Engagements eines kleinen Apothekerverbandes.

Der Verband in Mecklenburg-Vorpommern wollte auf seiner Mitgliederversammlung einen Vertreter der Arbeitsagentur zu diesem Thema sprechen lassen, doch die Mitarbeiter der Agentur erhielten keine Freigabe, über Berufe ohne Mangel vorzutragen. Erst auf höherer Ebene bei der Regionaldirektion Nord in Kiel ließ sich diese Hürde überwinden. Deren Leiter für das Geschäftsfeld Arbeitsmarkt, Sven Hinrichsen, bestätigte dann auch bei der Mitgliederversammlung des Apothekerverbandes, dass die Personalprobleme der Apotheken aus seinen Daten nicht hervorgehen.

Dies hat erhebliche Konsequenzen. Denn nur für Berufe mit nachgewiesenem Mangel kann die Agentur Umschulungen und andere Fördermaßnahmen organisieren. Die Ideen reichen dabei bis zu speziellen Kursen für Seiteneinsteiger. Das mag für PKA aussichtsreich sein. Doch für PTA erscheint der Gedanke eher rührend-naiv, die Ausbildungsinhalte in einem vereinfachten Schulungsprogramm vermitteln zu wollen. Sinnvoller wäre wohl, die reguläre Ausbildung für Umschüler zu finanzieren. So zeigt auch dies eher, dass man bei der Bundesagentur offenbar nicht so recht weiß, was eine PTA lernt und tut, und dass eine systematische Kommunikation zwischen Apothekerorganisationen und der Bundesagentur offenbar bisher nicht stattfindet.

Aussichtsreich erscheint dagegen, ausländische Fachkräfte – insbesondere aus südlichen EU-Ländern mit hoher Arbeitslosigkeit – anzuwerben. „Wir werden die Zuwanderer brauchen“, sagte auch der Verbandsvorsitzende Axel Pudimat in Mecklenburg-Vorpommern. Doch die Sprache und die organisatorischen Rahmenbedingungen des Apothekenbetriebs sind hohe Hürden. Daher sehe ich die ABDA gefragt, Kurse anzubieten, in denen ausländische Apotheker lernen, was sie für die Arbeit in Deutschland wirklich brauchen. Die ABDA könnte auch unabhängig von der Arbeitsagentur in anderen EU-Ländern um Zuwanderer werben. Bisherige Ansätze in dieser Richtung sollen insbesondere daran gescheitert sein, dass Apothekenberufe als nicht förderungswürdig gelten, weil der Mangel nicht dokumentiert ist.

Dies führt zurück zu den fehlenden Daten bei der Bundesagentur. Hinrichsen machte klar, dass auch Politiker ihre Entscheidungen auf die Daten der Arbeitsagentur stützen. Das wiederum regt meine Phantasie zu einigen Gedankenspielen an: Könnten die fehlenden Daten ein Grund dafür sein, dass Politiker die Honorarforderungen der Apotheker immer wieder abweisen? Warum sollten die Apothekenleiter ihren Beschäftigten mehr zahlen, wenn sie gemäß Aktenlage problemlos Mitarbeiter finden? Ist vielleicht auch der Kampf für den Erhalt pharmazeutischer Studiengänge wie derzeit in Leipzig so schwer, weil Apotheker nicht als Mangelberuf gelten? Unterbleibt die finanzielle Unterstützung für PTA-Schulen in Nordrhein-Westfalen, weil nach Datenlage keine PTAs gesucht werden? Oder geht meine Phantasie da zu weit?

Auf jeden Fall scheint der Appell von Sven Hinrichsen an die Apothekenleiter sinnvoll: Melden Sie Ihre offenen Stellen an die Agentur für Arbeit! Es kann sicher nicht schaden, wenn die Personalnöte von Apotheken endlich aktenkundig werden. 


Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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