Transparency International

330 Millionen Euro für Tamiflu und Relenza

Berlin - 16.02.2015, 10:46 Uhr


Im Rahmen seiner Pandemie-Pläne hat der Staat vor allem in den Jahren 2005 und 2009 große Mengen Oseltamivir (Tamiflu®) und Zanamivir (Relenza®) angeschafft – nicht zuletzt nachdem 2009 der Schweinegrippe-Alarm ausgerufen war, der sich später jedoch als unbegründet erwiesen hat. Die Antikorruptionsorganisation Transparency International hat den umstrittenen Fall mithilfe der Möglichkeiten, die die Informationsfreiheitsgesetze von Bund und Ländern bieten, hinterfragt. Dabei kam zutage: Für die Bevorratung mit den antiviralen Medikamenten von 2002 bis 2009 wurden rund 330 Millionen Euro Steuergelder investiert.

Es gab in den vergangenen Jahren viele Diskussionen über den Sinn und die Kosten der Bevorratung mit Tamiflu® und Relenza® – zumal die Neuraminidase-Inhibitoren mittlerweile teilweise abgelaufen und nicht mehr verwendbar sind. Vor allem die Cochrane Collaboration war lange bemüht, alle Studiendaten von den Herstellern zu erhalten, um sich ein Bild über die Wirksamkeit der Mittel machen. Erst 2013 hatten sie Erfolg. 2014 konnten sie ein Update ihrer Reviews vorlegen und im British Journal of Medicine veröffentlichen. Die Ergebnisse waren ernüchternd.

Auch Transparency verweist nochmals auf die insgesamt denkwürdige Gemengelage, die sich zwischen Herstellern, der (unter anderem von Roche und GSK finanzierten) European Scientific Working Group on Influenza (ESWI), den nationalen und internationalen Gesundheitsbehörden sowie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) entspann. Ein Fall, der bei der Antikorruptionsorganisation die Alarmglocken schrillen lassen musste. Zwei Jahre lang hat Transparency, unterstützt von der Deutschen Gesellschaft für Informationsfreiheit, nachgebohrt. Dr. Angela Spelsberg, Mitglied der Arbeitsgruppe Gesundheit von Transparency Deutschland, ist zufrieden: „Dass die Informationsfreiheitsgesetze die Möglichkeit eröffnet haben, die Fehlkäufe bei der Pandemievorsorge von Medikamenten, deren Nutzen im Hinblick auf die Verhinderung der Virusausbreitung und der Vermeidung von schweren Komplikationen schon bei der Erstzulassung durch die FDA umstritten war, im Detail aufdecken zu können und die enorme Verschleuderung von Steuergeldern sichtbar zu machen, ist für die Öffentlichkeit äußerst wichtig“. Nun werde man darauf dringen, die Missstände zu beseitigen. „Wir wollen dazu beitragen, dass solche kostenträchtigen und für die Gesundheit der Bevölkerung bedeutsamen Ankäufe künftig nicht mehr hinter verschlossenen Türen stattfinden können, um dem Wiederholungsfall vorzubeugen“, so Spelsberg.

Konkret fordert Transparency Deutschland für den Fall eines erneuten Pandemiealarms eine neutrale wissenschaftliche Bewertung des tatsächlichen Gefahrenpotenzials. Die zuständigen Stellen müssten transparentere Vorbereitungen treffen und im Fall der Fälle müssten die zu treffenden Maßnahmen sowie für die zu bevorratenden Medikamente oder Impfstoffe von Kommissionen mit unabhängigen Experten öffentlich kontrolliert werden. Überdies fordert Transparency, Oseltamivir von der Liste der unentbehrlichen Medikamente zu streichen. Und auch die Frage, wer für den finanziellen Schaden in Höhe von 330 Millionen Euro aufkommt, will die Organisation noch beantwortet wissen.


Kirsten Sucker-Sket