AOK Baden-Württemberg

Maßnahmen gegen Mondpreise

Berlin - 03.02.2015, 13:28 Uhr


Der Chef der AOK-Baden-Württemberg, Christopher Hermann, fordert eine Nachbesserung des AMNOG: Für neue Arzneimittel, für die derzeit erst ab dem 13. Monat nach ihrem Markteintritt ein ausgehandelter Erstattungsbetrag gilt, müsse schon ab dem ersten Tag der Zulassung eine Preisanpassung möglich sein. Er ist überzeugt, dass Sovaldi® nur der Anfang einer neuen Welle von hochpreisigen Medikamenten ist – und diese sei eine Gefahr für die Stabilität des Gesundheitssystems. Zudem bekräftigt er seine Forderung nach Abschaffung der Importquote.

Gestern Abend lud die AOK Baden-Württemberg zum Dialog – das Thema: „Arzneimittelmarkt aus dem Gleichgewicht? Wer sorgt für Balance?“. Für Gesprächsstoff sorgt nach wie vor die „700-Euro-Pille“ Sovaldi®. Ein Medikament, das trotz seines unumstrittenen Zusatznutzens für Hepatitis-C-Patienten aus Kassensicht viel zu teuer ist. Allein eingesetzt kostet die Dreimonatstherapie bereits rund 60.000 Euro. Und es kommt zumeist in Kombination mit anderen Arzneimitteln zur Anwendung. Derzeit wird zwar um den Erstattungsbetrag für das Präparat gerungen – doch die Kassen haben offensichtlich die Befürchtung, dass auch dieser hoch ausfallen wird.

Was ist ein angemessener Preis?

„Es kann nicht sein, dass pharmazeutische Unternehmen mit einer nicht nachvollziehbaren Preispolitik das Gesundheitssystem ausbeuten und damit seine Stabilität und Leistungsfähigkeit gefährden“, erklärt Hermann. Es gehe nicht um die Frage des Nutzens eines Arzneimittels allein – auch bei Medikamenten, die einen Mehrnutzen bringen, müsse die Finanzierbarkeit für die Versichertengemeinschaft erhalten bleiben. Hermann verspricht: „Wir werden auch künftig allen unseren Versicherten eine bestmögliche Arzneimittelversorgung bieten.“ Aber „nicht zu Mondpreisen“.

Ein angemessener Preis, wie er dem AOK-Chef vorschwebt, wägt die Interessen der Hersteller und die der Solidargemeinschaft ab und versucht, ein Gleichgewicht herzustellen. Eine Entscheidung über angemessene Arzneimittelpreise wäre möglich, wenn die tatsächlichen Forschungs- und Entwicklungskosten offengelegt werden. Allerdings macht sich Hermann keine große Hoffnungen, was Sovaldi® und Co. betrifft: Es sei nicht zu erwarten, dass die Preise in naher Zukunft durch Konkurrenz weiterer Arzneimittel in diesem Indikationsgebiet oder auch durch die zentralen Erstattungsverhandlungen erfolgreich reguliert werden.

Mehr Raum für dezentrale Verhandlungen

Die AOK Baden-Württemberg sähe überdies gern mehr Entscheidungsautonomie für die Krankenkassen vor Ort und die Möglichkeit dezentraler Verhandlungen. Dies könne eine wirtschaftlichere Versorgung mit innovativen Medikamenten bewirken. Einige Kassen – auch AOKs, nicht aber die AOK Baden-Württemberg – haben bereits Rabattverträge mit Gilead über Sovaldi® abgeschlossen.

Doch Hermann hat offenbar noch weitergehende Vereinbarungen im Sinn: Gerade in dem (nicht seltenen) Fall, dass nur für einen Teil der Anwendungsgebiete Anhaltspunkte für einen Therapievorteil bestehen, sei der gezielte Einsatz des neuen Medikaments für genau diese Patienten erforderlich. „Im Gegensatz zu zentralen Einheitsverhandlungen in Berlin können die Kassen regional das im Schulterschluss mit den Ärzten erreichen“, so Hermann.

Marginale Einsparungen durch Reimportquote

Erneut fordert Hermann auch die Abschaffung der Reimportquote: „Die Wirkungen aus der planwirtschaftlichen Subventionsregelung zugunsten einer Anbietergruppe laufen im Promillebereich an den jährlichen Gesamtausgaben der AOK Baden-Württemberg für Arzneimittel.“ Zudem gelangten in letzter Zeit immer wieder Fälschungen in Form von Reimporten in Umlauf. Die Arzneimittelsicherheit für Patientinnen und Patienten sei wichtiger als eine marginale Einsparung. Auch hätten sich die Rabattverträge längst als wirksames Instrument der Ausgabensteuerung etabliert.


Kirsten Sucker-Sket


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