Arzneimitteltherapiesicherheit

NRW mit fünf Modellprojekten vorn dabei

Berlin - 20.01.2015, 17:30 Uhr


Polymedikation ist allgegenwärtig. Barbara Steffens, Gesundheitsministerin von Nordrhein-Westfalen, ist daher höchst zufrieden, dass in ihrem Bundesland das Thema AMTS einen hohen Stellenwert einnimmt. Sie selbst hat seine Bedeutung immer wieder hervorgehoben. Heute präsentierte die grüne Ministerin fünf Modellprojekte aus NRW, die aus ihrer Sicht „bundesweit wegweisend“ sind.

Die fünf Projekte zeigten, wie die Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) mit zum Teil einfachen Methoden deutlich verbessert werden könne, erklärte Steffens heute in der Landespressekonferenz in Düsseldorf. Mit ihnen reagiere NRW auf die alarmierende Entwicklung, dass fast jeder Zweite über 65 mindestens fünf Medikamente parallel einnimmt. Die Ministerin warnt: „Die Einnahme solcher Medikamentencocktails ist gefährlich. Insbesondere dann, wenn eine Abstimmung fehlt. Deshalb brauchen wir wirksame Strategien, um solche Fehlentwicklungen künftig zu vermeiden.“

Siegerland: Strukturiertes Arzneimittelmanagement

Als ein Beispiel hervorgehoben wurde das Projekt „Strukturiertes Arzneimittelmanagement“ aus der Gesundheitsregion Siegerland. Es wird getragen von der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL), der Barmer GEK und dem Versorgungsnetz Siegen. An dem Projekt nehmen 120 Versicherte der Barmer GEK teil, die älter als 65 Jahre sind und sechs Monate lang mindestens fünf Arzneimittelwirkstoffe erhalten haben. Ihr behandlungsführender Arzt erhält jedes Quartal Informationen zu allen – auch von seinen Kollegen verordneten – Medikamenten und berät die Patienten zum Umgang damit. Ergebnis: Nach einem Jahr hat die Anzahl der eingenommen Wirkstoffe abgenommen. Die Wirkstoffmenge ist um mehr als 17 Prozent gesunken und die Patienten sind nach eigenen Angaben stärker motiviert, ihre Medikamente regelmäßig einzunehmen.

Dr. Wolfgang-Axel Dryden, 1. Vorsitzender der KVWL betonte, dass die „Behandlung der Multimorbidität [...] nicht die Summe des Möglichen ist“. Die ärztliche Kunst liege vielmehr darin, „sich auf das Nötige zu beschränken“. Heiner Beckmann, Landesgeschäftsführer der Barmer GEK in NRW ist ebenfalls mit dem Projekt zufrieden: „Die Ergebnisse aus der Gesundheitsregion Siegerland belegen, dass diese Form des Arzneimittelmanagements durchaus praktikabel und wirtschaftlich ist.“

Projekte mit Apotheken...

Während im Siegerland die Ärzte die wesentliche Rolle für das Medikationsmanagement spielen, gibt es auch Projekte, in die Apotheker involviert sind. So wird etwa das Projekt „Team eGK“ in der Region Bochum-Wattenscheid von den beiden Apothekerkammern in NRW, dem Apothekerverband Nordrhein sowie der ABDA koordiniert. Hier nehmen die Apotheken in einer Datenbank die Daten des Käufers und die erworbenen Medikamente auf – das Einverständnis der Patienten vorausgesetzt. Bei jedem weiteren Kauf werden die Daten aktualisiert. Der Apotheker kann auf diese Weise unmittelbar eine Risikoüberprüfung vornehmen. Die Daten sind in allen Apotheken verfügbar, die dem System angeschlossen sind.

Ein weiteres Projekt ist der „Medikationsplan NRW“ in der Region Düren. Hier erhalten die Patienten einen Medikationsplan in Papierversion, den sie zu jedem Besuch in einer Arztpraxis und Apotheke mitnehmen und in den stets alle aktuell eingenommenen Medikamente eingetragen werden. So können sowohl Ärzte als auch Apotheker den Medikamentenmix überprüfen. Eine elektronische Version ist in Vorbereitung. Geleitet wird das Projekt durch die Ärztekammern in NRW in Abstimmung mit der Arzneimittelkommission der Ärzteschaft.

...und mit Ärzten

Ein weiteres arztzentriertes Projekt nennt sich „Arzneimittekonto NRW“: In insgesamt 40 Praxen in einem Ärztenetz im Lennetal und bei niedergelassenen Ärzten in Bonn findet die Testung einer arztpraxisübergreifenden AMTS-Prüfung mit derzeit mehr als 1.000 Patienten statt. Basis ist ein persönliches Arzneimittelkonto der Patienten, zu dem sie behandelnden Ärzten – auf Wunsch aber auch Angehörigen oder Pflegekräften – Zugriff gewähren können. Eine Risikoprüfung findet nicht nur bei der Verordnung in der Arztpraxis statt, sondern auch wenn Patienten nicht verordnete selbst erworbene Präparate in das Konto eingeben.

Die Knappschaft steht hinter Projekt Nummer fünf: „Elektronische Behandlungsinformation eBI“. Mit Einverständnis der Patienten stellt die eBI behandelnden Ärzten in kooperierenden Krankenhäusern einen Medikationsplan, eine Übersicht vergangener Krankenhausaufenthalte sowie eine Liste bestehender Begleiterkrankungen elektronisch zur Verfügung.

Das Ziel der NRW-Gesundheitsministerin ist angesichts all dieser Projekte, deren Ergebnisse für alle Beteiligten sektorübergreifend nutzbar zu machen. „Flächendeckende Arzneimitteltherapiesicherheit kann nur erreicht werden, wenn wir alle Ressourcen nutzen“, so Steffens. Eine gemeinsame Plattform hierfür sei erstrebenswert.


Kirsten Sucker-Sket


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