Chemienobelpreis

Von der Mikroskopie zur Nanoskopie

Stuttgart - 08.10.2014, 17:50 Uhr


Der deutsche Stefan Hell und zwei Amerikaner erhalten den diesjährigen Nobelpreis für Chemie, wie das Karolinska Institutet in Stockholm heute mitteilte. Sie haben Methoden einer extrem hochauflösenden Fluoreszenzmikroskopie entwickelt.

Das Grundprinzip der Fluoreszenzmikroskopie besteht darin, dass das zu untersuchende Objekt mit Fluoreszenzfarbstoffen markiert wird, die jeweils durch Licht bestimmter Wellenlänge angeregt werden. Anregung bedeutet, dass das Molekül ein Photon aufnimmt. Wenn es später das Photon wieder abgibt, um in seinen Grundzustand zurückzukehren, sendet es das Fluoreszenzlicht aus. Bei der stimulierten Emission (Stimulated Emission Depletion, kurz STED) kehrt das angeregte Molekül sofort in den Grundzustand zurück; es wird gleichsam ausgeschaltet und sendet kein Licht aus.

Mit der Entwicklung des STED-Mikroskops hatte der heute 51-jährige Stefan Hell, Direktor des Max-Planck-Instituts für biophysikalische Chemie in Göttingen, vor über 20 Jahren begonnen und 1999 ein funktionsfähiges Gerät vorgestellt. Ein STED-Mikroskop unterscheidet sich von einem gewöhnlichen Laser-Raster-Mikroskop dadurch, dass das Objekt zugleich mit einem Anregungs-Laserstrahl und einem Ausschalt-Laserstrahl bestrahlt wird. Die Fluoreszenz im Außenbereich des bestrahlten Punktes unterbleibt; der fluoreszierende Fokus ist dadurch viel kleiner. Dadurch steigt das Auflösungsvermögen, und entsprechend genauer wird das Bild, wenn der Laserstrahl das Objekt rastermäßig abtastet.

Die Amerikaner Eric Betzig und William Moerner haben die Einzelmolekülfluoreszenzmikroskopie entwickelt, die Betzig im Jahr 2006 erstmals demonstrierte. Dabei wird die zu untersuchende Substanz in ein Lösemittel gegeben und so stark verdünnt, dass nur sehr wenige Moleküle auf dem Objektträger vorhanden sind. Das Beobachtungsvolumen ist so klein, dass meistens nur ein einziges Molekül darin vorhanden ist. Während des Beobachtungszeitraums von zehn bis 60 Minuten wandern die Moleküle ständig ein und aus, werden vom Laserstrahl angeregt und senden ein Signal aus, das detektiert wird. Durch die vergleichende Auswertung lassen sich dann die chemisch-physikalischen Eigenschaften des Moleküls gut beschreiben.

Die neuen Methoden haben der Mikroskopie neue Anwendungsgebiete erschlossen. Mit ihrer Hilfe wurde der Aufbau der Mitochondrien viel besser verstanden. Mit ihnen lässt sich beobachten, wie sich Neurotransmitter und Wirkstoffe in den Synapsen von Nervenzellen verhalten oder wie Proteine aggregieren. Es sind sowohl neue Erkenntnisse für die Ätiopathologie von Krankheiten als auch für die zielgerichtete Entwicklung neuer Arzneistoffe zu erwarten.  


Dr. Wolfgang Caesar