Arzneipflanze des Jahres 2015

Johanniskraut – das pflanzliche Antidepressivum

Stuttgart - 07.10.2014, 16:41 Uhr


Der „Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde“ an der Universität Würzburg hat das Echte Johanniskraut zur Arzneipflanze des Jahres 2015 gewählt. Obwohl ausgiebig genutzt und recht gut erforscht, sind die Wirkungsmechanismen des Johanniskrautes noch nicht vollständig geklärt.

Das Echte Johanniskraut (Hypericum perforatum) wird vielfältig eingesetzt, hat seine größte Bedeutung jedoch zur Behandlung von leichten bis mittelschweren Depressionen. Dabei ist es bis heute umstritten, welche Inhaltsstoffe für die Wirksamkeit entscheidend sind. Infrage kommen das Naphthodianthron Hypericin und das Phloroglucinderivat Hyperforin. Eindeutig nachgewiesen ist, dass der Extrakt – auf welchem Wege auch immer – im Hirn die Konzentration von Neurotransmittern in den Synapsen erhöht, indem er ihre Wiederaufnahme in die Neuronen hemmt. Synthetische Antidepressiva wirken auf die gleiche Weise.

2008 hatte ein Cochrane-Review den als Arzneimittel zugelassenen wässrig-alkoholischen Johanniskrautextrakten bescheinigt, dass sie ebenso gut wirken wie synthetische Antidepressiva. Ein Jahr später hat das Bundesgesundheitsministerium die zur Behandlung von mittelschweren Depressionen zugelassenen Johanniskrautpräparate der Rezeptpflicht unterstellt, was zur Folge hatte, dass sie wieder zulasten der GKV verordnet werden durften.

Auch wegen ihres Nebenwirkungspotenzials ist die Rezeptpflicht wirkstoffreicher Johanniskrautpräparate gerechtfertigt. Sie induzieren das Enzym CYP-3A4 und beschleunigen dadurch den Abbau bestimmter Arzneistoffe, etwa von hormonellen Kontrazeptiva. Weiterhin wirkt Johanniskraut – je nach Dosis – photosensibilisierend oder sogar phototoxisch. Selbstverständlich hat das Apothekenpersonal bei der Abgabe von Johanniskrautpräparaten auf die Kontraindikationen und mögliche Wechselwirkungen hinzuweisen.

Johanniskraut kann auch äußerlich angewendet werden. Traditionelle Zubereitungen sind das rote Johanniskrautöl, bei dessen Herstellung ein Pflanzenöl als Auszugsmittel dient, und die alkoholische Johanniskrauttinktur. Beide werden in kosmetische Cremes eingearbeitet.

In ästhetischer Hinsicht zählt das Johanniskraut mit seinen leuchtend gelben Blüten zu unseren schönsten Arzneipflanzen, was sich auch die pharmazeutischen Hersteller in ihrer Werbung zunutze machen. Auch aus der Nähe betrachtet hat das Johanniskraut seinen Reiz: Das Hypericin wird in speziellen Drüsen gespeichert, die als dunkel gefärbte Punkte gut auf den Blüten-, Kelch- und Laubblättern zu erkennen sind. Die Blätter scheinen von winzigen Löchern durchzogen zu sein, woher auch der botanische Artname kommt (perforatum = durchlöchert).

Die „Arzneipflanze des Jahres“ ist nicht mit der „Heilpflanze des Jahres“ zu verwechseln. Als solche wurde für das Jahr 2015 die Küchenzwiebel gewählt.


Dr. Wolfgang Caesar