Europäisches Forschungsprojekt

Typ-1-Diabetes ausgelöst durch zu viel Sauberkeit?

Remagen - 26.08.2014, 16:22 Uhr


Typ-1-Diabetes ist bei Kindern und Jugendlichen in Europa auf dem Vormarsch. Ein europäisches Forschungsprojekt sucht die Ursache hierfür im Reinlichkeitsverhalten in der Umgebung der Betroffenen. Lange als beste Verteidigung angenommen, könnte eine übertriebene Hygiene danach tatsächlich die Ursache dafür sein.

Das Projekt wurde von einem nordischen „Mysterium“ ausgelöst: Finnland, eines der Länder mit dem höchsten Lebensstandard und der besten Gesundheitsversorgung in der Welt, hat die höchste Inzidenz von Diabetes in der Welt. Jenseits der Grenze im nordwest-russischen Karelien, wo der Lebensstandard viel niedriger ist als der europäische Durchschnitt, ist die Inzidenz sechs Mal niedriger. Die Antwort auf diese scheinbare Ungereimtheit sehen die Forscher in der Reinlichkeit der Menschen und deren Umgebung, allerdings nicht in einem „zu wenig“, sondern „zu viel“ an Hygiene.

Projektkoordinator Mikael Knip, Professor an der Kinderklinik der Universität Helsinki, erklärt seine Hygiene-Hypothese so: „Der Mangel an Infektionen in den ersten Lebensjahren kann zu einem dysfunktionalen Immunsystem führen, was wiederum Allergien und Autoimmunerkrankungen begünstigt.“ Seine Kollegin Prof. Natalya Dorshakova von der Petrozavodsk State University in Karelien meint ebenfalls, dass der „fanatische Kampf gegen Mikroben“ die Abwehrkräfte des Körpers schwächt. Ziel müsse es, den Beginn des Autoimmunprozesses zu verhindern. Dies werde am besten durch eine frühe „Bekanntschaft“ mit Antigenen wie Mikroben, Viren, Pilzen und Staubpartikeln erreicht.

Das grenzüberschreitende Projekt, an dem neben Finnland und Russland auch Estland, Deutschland, und die Niederlande teilnehmen, wird im Rahmen des siebten Rahmenprogramms für die Forschung (FP7) weitgehend aus Fördertöpfen der EU finanziert. „Wir haben im Rahmen des Projekts eine Vielzahl von biologischen Proben gesammelt, die nun über eine einzigartige Biobank verfügbar sind. Hieraus wollen wir in den kommenden Jahren noch weitere Erkenntnisse gewinnen, die für die Behandlung von Allergikern und Autoimmunerkrankungen nützlich sein können“, erklärt Knip.


Dr. Helga Blasius