Verordnungen bei Infektionskrankheiten

Weniger Antibiotika im Osten

Berlin - 08.07.2014, 12:20 Uhr


Antibiotikaresistenzen sind ein heiß diskutiertes Thema. Ärzten wird immer wieder vorgehalten, die Arzneimittel allzu leichtfertig zu verordnen. Eine aktuelle Untersuchung zeigt nun, dass die niedergelassenen Ärzte in Deutschland bei Infektionen der Atemwege Antibiotika sehr zurückhaltend und entsprechend der Leitlinien verordnen. Anders sieht es bei der Therapie von Rachen- und Mandelentzündungen aus: Hier kommen Antibiotika häufiger zum Einsatz, als die Leitlinien empfehlen.

Um das Verordnungsverhalten der Ärzte bei unterschiedlichen Infektionen zu analysieren, haben Wissenschaftler des Versorgungsatlas – einem Informationsangebot des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland (ZI) – bundesweite Abrechnungsdaten aus der kassenärztlichen Versorgung aus dem Jahr 2009 analysiert. Ihr Ergebnis: Mit Ausnahme von Scharlach werden in den neuen Bundesländern bei den untersuchten Infektionskrankheiten weniger Antibiotika verordnet als in den alten Bundesländern – besonders deutlich wird dies bei Mittelohrentzündungen (28% vs. 38%) und Harnwegsinfektionen (49% vs. 59%). Es zeigte sich aber auch, dass einige Antibiotika – wie die Chinolone – häufiger in den neuen Bundesländern eingesetzt werden.

Auch bei den einzelnen Krankheitsbildern verordnen die Ärzte unterschiedlich. Während sie bei den zumeist von Viren verursachten Atemwegsinfektionen Antibiotika entsprechend der Empfehlungen der Leitlinien zurückhaltend einsetzten, zeigte sich bei Rachen- und Mandelentzündungen eine zu hohe Verordnungsrate, heißt es in der Untersuchung. Entsprechend europäischer Qualitätsindikatoren sei bei diesen Erkrankungen die Antibiotikatherapie in bis zu 20 Prozent der Fälle gerechtfertigt. In Deutschland würden jedoch bis zu 59,5 Prozent der Fälle mit Antibiotika behandelt. Auch bei Mittelohrentzündungen würden die Verordnungsraten höher liegen, als die Qualitätsindikatoren ausweisen. Dr. Jörg Bätzing-Feigenbaum, Leiter des Versorgungsatlas, mahnte, dass bei diesen Diagnosen dringender Handlungsbedarf besteht, um den Antibiotikaeinsatz nachhaltig zu reduzieren. Das ZI plant für dieses Jahr, eine Untersuchung zur Entwicklung der Antibiotikaverordnungsraten für die Jahre 2008 bis 2012 zu veröffentlichen.

Die Untersuchung des Versorgungsatlas verweist unter Berufung auf die WHO darauf, dass Deutschland, die Niederlande und Estland im europäischen Vergleich am wenigsten Antibiotika einsetzen. Während hierzulande weniger als 15 definierte Tagesdosen pro 1000 Einwohner verordnet werden, liegen die Raten bei den Spitzenreitern zwischen 37 und 43 Tagesdosen. Dennoch mahnt die WHO, dass der Verbrauch an Antibiotika nach wie vor generell zu hoch ist – auch in Deutschland. Der Sachverständigenrat im Gesundheitswesen empfiehlt in seinem aktuellen Gutachten ebenfalls, ein Augenmerk auf die angemessene Verordnung von Antibiotika zu legen, bei denen gravierende regionale Unterschiede bei den Verschreibungen vorliegen.


Annette Lüdecke