Stratifizierte Pharmakotherapie

Brandenburg: Machbarkeitsstudie auch im Alleingang

Potsdam - 03.07.2014, 16:45 Uhr


Die Apothekerkammer Brandenburg will es wissen: Lässt sich die stratifizierte Pharmakotherapie in der öffentlichen Apotheke umsetzen? 2012 stellte sie beim Deutschen Apothekertag den Antrag, eine Machbarkeitsstudie durchzuführen. Doch der Antrag wurde abgelehnt. Nun will die Kammer ausloten, ob sie selbst ein solches Projekt starten kann. Einen entsprechenden Beschluss fasste gestern die Kammerversammlung.

Die Apothekerkammer Brandenburg will das Thema trotz des Gegenwindes, der ihr beim vorletzten Deutschen Apothekertag bei der Antragsberatung entgegenwehte, nicht kampflos aufgeben. Und so lud sie zu ihrer gestrigen Versammlung in Potsdam Prof. Dr. Theo Dingermann ein. Er sollte darlegen, ob eine solche Machbarkeitsstudie in Brandenburg möglich wäre. Dingermann – der sich seit einigen Jahren der stratifizierten Pharmakotherapie verschrieben hat – räumte ein, dass dieses Vorhaben „ein Stück weit kompliziert“ und eine „große Herausforderung“ sei. Auf jeden Fall sei es aber eine „tolle Ergänzung“ zu bisherigen Maßnahmen der Arzneimitteltherapiesicherheit. Wechselwirkungen zu vermeiden, ist sicher richtig und wichtig – aber nicht minder interessant ist es, zu wissen, was in der Monotherapie überhaupt funktionieren kann.

Von 22.000 menschlichen Genen sind nach heutigem Wissen 30 wichtig für die Arzneimitteltherapie. Schaut man sich diese bei einer Person genauer an, lässt sich sagen, ob diese für bestimmte Arzneimittel Responder sind oder nicht. Zu erkennen ist auch, ob sie bei speziellen Medikamenten besonders anfällig für Nebenwirkungen sind. Die amerikanische Arzneimittelbehörde FDA habe bereits eine lange Liste von Präparaten ausgemacht, bei denen sie einen vorherigen Gentest empfiehlt, erklärte Dingermann. Für ihn ist unverständlich, dass das Thema hierzulande noch so ausgeblendet wird. Schließlich sei klar: „one size fits all“ funktioniert bei Arzneimitteln nicht.

Und so gibt es mittlerweile eine Reihe von Diagnostiktests: Zum einen die DNA-Tests, die die Therapiesicherheit bestimmter Arzneimittel prüfen – etwa Statine, Tamoxifen, Antidepressiva. Zum anderen bietet etwa das Unternehmen Humatrix zusätzlich einen Test an, in dem die bedeutsamen 30 Gene gecheckt werden (Stratipharm-Startbox). Eine große Datenbank ermöglicht dem Apotheker, über eine Chipkarte mit einem Code die optimale Medikation für den Patienten zu ermitteln. Das Unternehmen schult Apotheker, die diese Tests verwenden. Zeigt sich, dass ein Wirkstoff aufgrund der individuellen Disposition eines Patienten nicht wirken kann oder voraussichtlich starke Nebenwirkungen verursacht, wird die Apotheke gewarnt. Sie kann dann dem verordnenden Arzt eine passende Therapieoption oder Dosisanpassung vorschlagen.

Aus Sicht der Brandenburger Apotheker ein attraktives Angebot – problematisch sind die Kosten: Der Stratipharm-Test kostet knapp 200 Euro. Die Prüfung eines einzelnen Medikaments kostet dann jeweils weitere 70 Euro – 50 Euro hiervon gehen an den Hersteller, 20 an die Apotheke. Dies ist sicherlich nicht leicht zu vermitteln. Als mögliche Finanzierungsquelle denkt Kammerpräsident Jens Dobbert an den Innovationsfonds, aus dem der Gemeinsame Bundesausschuss bald Gelder für Projekte verteilen will, die über die Regelversorgung hinausgehen.

In der anschließenden Diskussion der Kammerversammlung wurden verschiedene Vorschläge eingebracht, wie man einen Testlauf mit ausgewählten Patienten starten könnte. Denkbar sei etwa, sich zunächst auf eine Indikation zu beschränken. Wichtig ist auch, die Ärzte für ein solches Projekt mit ins Boot zu bekommen. Wie genau und unter welchen Voraussetzungen eine Machbarkeitsstudie ablaufen könnte, soll nun geprüft werden. Die Kammerversammlung nahm diesen Antrag bei lediglich einer Enthaltung an. 


Kirsten Sucker-Sket