Barmer GEK-Arzneimittelreport

Abgesang auf den Bestandsmarktaufruf

Berlin - 27.05.2014, 14:27 Uhr


Die 20 umsatzstärksten Arzneimittel in Deutschland sind allesamt Bestandsmarktarzneimittel. Sie wurden also nie einer frühen Nutzenbewertung unterzogen und müssen sich auch künftig nicht mit Therapiealternativen vergleichen. Schließlich hat die Große Koalition gerade erst die mit dem Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz (AMNOG) eingeführte Bestandsmarktbewertung abgeschafft. Eine „große Fehlentwicklung“, meint Professor Dr. Gerd Glaeske von der Universität Bremen.

Jahr für Jahr nimmt Glaeske die Arzneimittelverordnungen der Barmer GEK-Versicherten unter die Lupe. Und stets macht er ein enormes Potenzial aus – sowohl für Einsparungen, aber auch für Qualitätsverbesserungen. Denn so manches noch patentgeschützte Top-Präparat, das allerdings vor dem AMNOG-Start am 1. Januar 2011 auf den Markt kam, ist nicht nur teuer und könnte bedenkenlos generisch ersetzt werden. Einige bergen laut Glaeske sogar Risiken und sollten schon deshalb durch bewährte Präparate ausgetauscht werden. Nicht zuletzt deshalb trauert er der Bestandsmarktbewertung nach. So geht es auch Dr. Rolf-Ulrich Schlenker, dem stellvertretenden Vorsitzenden der Barmer GEK. Er befürchtet „Me-toos forever“ – denn auch wenn das Patent ausläuft: Eine Scheininnovation bleibt auch als Generikum eine Scheininnovation.

Schlenker ist daher grundsätzlich zufrieden mit dem AMNOG – endlich würden echte von scheinbaren Innovationen getrennt. Und dabei sei die frühe Nutzenbewertung keinesfalls eine Innovationsbremse. Dennoch hat er Zweifel, dass diese Frühbewertung ausreicht. Auch Arzneimittel, die sie mit Erfolg durchlaufen haben, sollten sich hierauf nicht ausruhen. Schlenker plädiert vielmehr für eine regelhafte Spätbewertung dieser Arzneimittel – oder aber das Aufleben der Kosten-Nutzenbewertung. Ein weiterer Wermutstropfen am AMNOG: Die angedachten Einsparungen von etwa zwei Milliarden Euro sind noch lange nicht erreicht. Rund 180 Millionen konnten die Kassen bislang durch die Erstattungsbeträge sparen. Doch Schlenker räumt ein: Der Prozess muss sich einspielen – offenbar braucht er noch etwas Zeit, bis die Einsparungen wirklich spürbar werden.

Umso wichtiger ist es für Glaeske, dass andere Sparpotenziale gehoben werden – etwa durch den vermehrten Generikaeinsatz. Dies sei nicht zuletzt notwendig, weil im ersten Quartal 2014 die Arzneimittelausgaben wieder um fast zehn Prozent gestiegen sind – eine Folge des von 16 auf zunächst sechs Prozent reduzierten gesetzlichen Herstellerrabatts. Schlenker ist schon jetzt überzeugt: „Über kurz oder lang werden wir wieder Kostendämpfungsmaßnahmen brauchen.“


Kirsten Sucker-Sket