Freihandelsabkommen TTIP

Pfeiffer sorgt sich um Folgen für die GKV

Berlin - 19.05.2014, 11:11 Uhr


Das geplante Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und den USA (TTIP) zeichnet sich bislang vor allem durch wenig Transparenz aus – die Zahl der Skeptiker in Deutschland ist daher groß. Auch die Chefin des GKV-Spitzenverbandes, Doris Pfeiffer, fürchtet Nachteile durch das Abkommen. Sie warnt vor ernsten Folgen für die Sozialversicherungen und die Patientensicherheit.

Pfeiffer hat wenig Verständnis für die beschworenen Geheimhaltungspflichten bei den TTIP-Verhandlungen. Wenn Regelungen verabredet würden, die europäisches und nationales Recht brechen könnten, müsse es schon bei den Verhandlungen eine demokratische Kontrolle geben. Grundsätzlich habe sie kein Problem mit dem freien Handel – auch nicht mit dem Abbau bürokratischer Hürden. Doch Pfeiffer hat „den Eindruck, dass ausschließlich die Interessen der Unternehmen im Mittelpunkt stehen“. Dabei sollten die Bedürfnisse von Versicherten und Patienten Vorrang haben.

Die deutsche Krankenversicherung sieht sie durch TTIP insofern gefährdet, als dass die hierzulande bestehenden Preisregelungen für Arzneimittel – nicht zuletzt für neue, patentgeschützte – ausgehebelt werden könnten. Denn bei dem Abkommen gehe es auch um Investitionsschutzregelungen. Fühle sich ein US-Unternehmen durch gesetzliche Regelungen in Europa beeinträchtigt, könne es vor einem Schiedsgericht außerhalb des normalen Justizsystems klagen und die Preisregulierung kippen beziehungsweise Schadenersatz durchsetzen. „Das hätte verheerende Folgen für die Kostenentwicklung und die Beitragssätze in der Krankenversicherung“, so Pfeiffer. Einige Unternehmen gingen auch schon so vor: Eli Lilly etwa klage gegen Kanada im Streit um Arzneimittelpatente. Der Tabakhersteller Philipp Morris gehe gegen Australien wegen der strikten Anti-Tabak-Politik vor. „Das kann die öffentliche Hand Milliarden kosten. Und was fast noch schlimmer ist: Es hemmt den Gesetzgeber, überhaupt noch politische Reformen anzugehen.“

Auch das Vorhaben der USA, den Patentschutz auszubauen, sieht Pfeiffer kritisch. Sie verweist darauf, dass die durchschnittlichen Patentlaufzeiten für Arzneimittel in Europa bei knapp zwölf Jahren liegen. „Das genügt, um die Forschungskosten und die Kosten für die Vermarktung und Werbung zu erwirtschaften und dass die Firmen auch Gewinne machen.“ Würden die Laufzeiten wie gefordert verlängert, könnten günstige Generika entsprechend später auf den Markt kommen.

Überdies sorgt sich die GKV-Chefin um die Patientensicherheit. Sie fürchtet, dass sich die liberale Haltung der USA bei der Werbung für verschreibungspflichtige Medikamente durchsetzen könnte – und diese lehne der Spitzenverband strikt ab. In Deutschland sei diese Werbung aus gutem Grund verboten. Problematisch sei zudem, wenn künftig die Arzneimittel-Zulassungsbehörden ihre Entscheidungen gegenseitig anerkennen. Es gebe immer wieder abweichende Entscheidungen bei FDA und EMA – unter anderem wegen unterschiedlicher Therapiekonzepte oder Patientenpopulationen. Gegen eine engere Zusammenarbeit der Behörden bei der Meldung von Nebenwirkungen habe der GKV-Spitzenverband aber natürlich nichts.

Zwar sieht Pfeiffer auch den einen oder anderen Vorteil für die Krankenversicherung. So seien etwa die in den USA geltenden Regelungen für Medizinprodukte deutlich strenger und transparenter als in Europa. Aber: „Ohne eine klare Regelung zum Schutz der grundlegenden Strukturen unseres Gesundheitswesens in dem Abkommen würden selbst die Vorteile bei den Medizinprodukten wohl kaum die schwerwiegenden Nachteile für die Patienten und Versicherten aufwiegen.“


Kirsten Sucker-Sket


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