Vorgriff auf EU-Regelung

Boehringer: Studiendaten umfassend zugänglich

Berlin - 30.04.2014, 15:31 Uhr


Nach den neuen Regelungen zu klinischen Studien in der EU, die das Europäische Parlament Anfang April verabschiedet hat, sollen deren Ergebnisse künftig veröffentlicht werden. Die Verordnung tritt zwar voraussichtlich erst Mitte 2016 in Kraft – das Pharmaunternehmen Boehringer Ingelheim veröffentlicht aber bereits jetzt ausführliche Daten. Diese sind allerdings bislang Experten vorbehalten.

Die neuen EU-Regelungen zielen unter anderem darauf ab, die medizinische Forschung transparenter zu machen. Dazu sollen die Ergebnisse klinischer Studien in einer (noch nicht bestehenden) Datenbank der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) veröffentlicht werden. Die vollständigen Studiendaten sind vom Hersteller künftig zu veröffentlichen, wenn dieser eine Zulassung für ein Arzneimittel beantragt. Und zwar in zwei Versionen: einer Zusammenfassung für Experten und einer für Laien.

Der deutsche Pharmariese will jedoch nicht warten, bis die Verordnung in Kraft tritt, und veröffentlicht seine Studiendaten schon jetzt. Einen entsprechenden Bericht der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (29. April 2014) bestätigte ein Unternehmenssprecher gegenüber DAZ.online. Vollständige Studienberichte – ohne vertrauliche und persönliche Informationen – können ab sofort auf Anfrage mittels Kontaktformular auf der Internetseite von Boehringer für den wissenschaftlichen Gebrauch eingesehen werden. Das gilt für Studien von Wirkstoffen, bei denen das Zulassungsverfahren abgeschlossen oder die Entwicklung eines Wirkstoffes eingestellt ist. Derzeit sind rund 1000 Studien verfügbar, sagte der Sprecher. Interessierte Laien bleiben hier jedoch vorläufig noch außen vor.

Gemeinsam mit GlaxoSmithKline, Novartis, Roche, Sanofi und ViiV Healthcare gründete Boehringer zudem die Plattform clinicalstudydatarequest.com. Das Ingelheimer Unternehmen habe auf die Website bereits 50 Studien mit anonymisierten Patientendaten, sogenannte Rohdaten, geladen. Diese sind dem Unternehmenssprecher zufolge ab sofort auf Anfrage zu Forschungszwecken verfügbar. Damit Patienten nicht durch „unverantwortliche Falschinformationen“ gefährdet werden, erhalten auch diese Daten ausschließlich Forscher, die ein „qualifiziertes Forschungsvorhaben vorweisen“ können. Zudem müssen sie ihre Ergebnisse – unabhängig vom Resultat – veröffentlichen. Ein firmenunabhängiges Gremium prüfe die Anfragen, so der Sprecher.

Ziel ist es, bis Ende 2014 etwa 250 Studien gelistet zu haben. Die Anzahl soll sich Boehringer zufolge bis Ende 2015 verdoppeln. Dass pharmazeutische Unternehmen Rohdaten zur Verfügung stellen, sei in der EU-Regelung nicht vorgesehen. Damit gehe Boehringer über die Mindestanforderung zur Transparenz bei klinischen Studien hinaus, so der Sprecher. Zudem bezieht sich die EU-Regelung auf künftige Studien. Das Unternehmen veröffentlicht nach eigenen Angaben Daten, die bis ins Jahr 1998 zurückreichen. Auch Sanofi wird die Plattform nutzen. Studiendaten zu Wirkstoffen, die ab Januar 2014 von der europäischen Arzneimittelagentur EMA oder der amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA zugelassen werden, sollen künftig auf der Plattform verfügbar sein, erklärte eine Sprecherin von Sanofi gegenüber DAZ.online.

Bislang existiert eine freiwillige Selbstverpflichtung pharmazeutischer Unternehmen, die Daten von Patientenstudien in zusammegefasster Form Experten online zur Verfügung zu stellen.


DAZ.online