Cochrane-Review mit vollständigen Daten

Tamiflu® und Relenza® mit wenig Benefit

Stuttgart - 10.04.2014, 07:00 Uhr


Es war ein harter Kampf, den die Cochrane-Forscher Tom Jefferson, Peter Doshi und Kollegen um die vollständige Einsicht in unveröffentlichte Studienergebnisse der Neuraminidasehemmer Oseltamivir (Tamiflu®) und Zanamivir (Relenza®) geführt haben. Schon 2009 hatten sie die Geheimhaltung von Studiendaten zu Tamiflu® angeprangert

Jetzt endlich konnten sie ein Update ihres Reviews zu den Neuraminidase-Inhibitoren vorlegen, das erstmals auch auf den über Jahre eingeforderten vollständigen internen Daten von Roche zu Tamiflu® beruht. Die Ergebnisse sind ernüchternd und lassen die Frage aufkommen, ob vor diesem Hintergrund eine weltweite Vorratshaltung mit Tamiflu® zum Schutz der Bevölkerung vor einer Influenzapandemie von den politisch Verantwortlichen überhaupt in Erwägung gezogen worden wäre.

Das Update des Cochrane-Reviews zu den Neuraminidasehemmern wurde in zwei Beiträgen, einmal zu Oseltamivir und einmal zu Zanamivir, im British Medical Journal veröffentlicht. Die Ergebnisse für Oseltamivir und Zanamivir sind dabei ähnlich. Bei an Influenza erkrankten Erwachsenen trat eine Symptomlinderung unter den beiden Wirkstoffen etwa einen halben Tag früher ein als unter Placebo. Ob eine Therapie von Influenza-Infektionen bei Kindern die Krankheitsdauer verkürzt, ist unklar. Darüber hinaus führte die Behandlung weder bei Kindern noch bei Erwachsenen zu weniger Krankenhauseinweisungen. Schwere Influenza-Komplikationen wie Pneumonien, Bronchitis, Sinusitis oder Mittelohrentzündungen traten in ähnlicher Häufigkeit wie unter Placebo auf. Auf der anderen Seite stieg unter Oseltamivir das Risiko für Nebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen und psychiatrische Komplikationen. Zudem besteht der Verdacht, dass Oseltamivir die ausreichende Bildung körpereigener Antikörper gegen Influenza-Viren verhindert. Unter Zanamivir waren die Nebenwirkungen bis auf Bronchospasmen geringer ausgeprägt, möglicherweise eine Folge der niedrigen Bioverfügbarkeit.

In Präventionsstudien konnten die Neuraminidasehemmer zwar das Risiko für das Auftreten von Influenza-Symptomen reduzieren. Unklar ist jedoch, ob durch die Prophylaxe die Ausbreitung von Influenza-Viren unterbunden wird. Auch hier wurden unter Oseltamivir vermehrt Nebenwirkungen registriert. Es dominierten Kopfschmerzen, psychiatrische Störungen und Nierenkomplikationen.

Die Autoren des Cochrane Reviews und das British Medical Journal sehen sich in ihrem Kampf um die Offenlegung aller Studiendaten bestätigt. Es könne nicht sein, dass eine Zulassung von Arzneistoffen ohne die Vorlage aller Studienergebnisse erfolgt, so die Autoren. Es stehe zu viel für die Gesundheit der Bevölkerung auf dem Spiel, auch unter ökonomischen Aspekten. Der jetzt vorliegende Cochrane-Review zu Neuraminidasehemmern sei der erste Review, bei dem ausnahmslos alle klinischen Studien und Studienberichte vorgelegen hätten. Entsprechend wertvoll sei das Ergebnis. Beide Neuraminidasehemmer hätten in der Prävention und Therapie von Influenza-Infektionen nur einen geringen Benefit, begleitet von einem erhöhten Nebenwirkungsrisiko. Vor diesem Hintergrund müssten jetzt die Empfehlungen zum Einsatz der Substanzen überarbeitet werden.


Dr. Doris Uhl


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