Antibiotikaverbrauch

Endlich ein Bild von Gesamt-Europa

Remagen - 22.03.2014, 08:00 Uhr


Manche Länder in Europa verbrauchen viermal so viele Antibiotika wie andere. Dies geht aus einem neuen Bericht hervor, der am 20. März 2014 im Fachmagazin "The Lancet - Infectious Diseases" veröffentlicht wurde. Er liefert erstmals Daten aus einigen Ländern Südosteuropas und Gebieten Zentralasiens, die zwar zur Europäischen Region der WHO, aber nicht zur EU gehören, und offenbart gravierende Unterschiede.

Für die 28 EU-Mitgliedstaaten und Norwegen gab es bereits entsprechende Erkenntnisse aus dem ESAC-Net des Europäischen Zentrums für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten zur Überwachung des Verbrauchs antimikrobieller Mittel. Damit steht nun ein komplettes Bild von insgesamt 42 untersuchten Ländern und Regionen zur Verfügung. Es offenbart gravierende Unterschiede:

Im Vergleich zu den EU-Staaten liegt der Verbrauch in einigen neu untersuchten Ländern, wie der Türkei, Montenegro und Tadschikistan, sehr hoch, in anderen wie Bosnien und Herzegowina, Weißrussland, Armenien und Aserbaidschan dagegen sehr niedrig. Ein niedriger Verbrauch deutet dort vielfach auf einen unzureichenden Zugang zu den Medikamenten hin. Hier könnten multiresistente und extensiv resistente Tuberkulose- und andere multiresistente Bakterien-Infektionen deshalb oft unbehandelt bleiben.

Am häufigsten eingesetzt werden in allen an der neuen Studie beteiligten Ländern Penicilline, vor allem die Breitspektrum-Penicilline Amoxicillin und Ampicillin. In den Ländern Südosteuropas wurden im Vergleich zu den nördlichen EU-Staaten große Mengen an Cephalosporinen der ersten Generation verwendet. Das langzeitwirkende Makrolid Azithromycin kam speziell in Montenegro und Serbien häufig zum Einsatz. Am unteren Ende des Antibiotikaverbrauchs, ausgedrückt in der Zahl der DDD je 1000 Einwohner pro Tag, rangieren Deutschland, Estland und die Niederlande.

Die neue ergänzende Studie ist eine wichtige Grundlage für die Bekämpfung antimikrobieller Resistenzen in den beteiligten Ländern. Sie hat aber auch für Gesamt-Europa eine hohe Bedeutung, denn Resistenzen machen schließlich nicht vor Ländergrenzen halt. Der Direktor der Abteilung Gesundheitssysteme und öffentliche Gesundheit beim WHO-Regionalbüro für Europa Dr. Hans Kluge kommentierte sie sogar als „Meilenstein bei der Förderung von Wissen über den Antibiotikagebrauch“.


Dr. Helga Blasius