Treffen deutschsprachiger Bioethikkommissionen

Ethikräte sehen Impfpflicht kritisch

Berlin - 17.03.2014, 10:01 Uhr


Vertreter des Deutschen Ethikrates sowie ihre Kollegen aus Österreich und der Schweiz haben in der vergangenen Woche verschiedene bioethische Themen diskutiert – darunter auch Fragen zum Impfen, insbesondere einer möglichen Impfpflicht. Die Ethikräte und -kommissionen waren sich dabei einig in der Einschätzung, dass freiwilligen Impfungen gegenüber einer Impflicht für die Allgemeinbevölkerung der Vorzug zu geben ist.

Ist das Instrument einer Impfpflicht bei bestimmten Erkrankungen aus ethischer Sicht zulässig oder vielleicht sogar geboten? Dr. med. Christiane Fischer, Mitglied des Deutschen Ethikrates, zeigte das ethische Dilemma auf: Auf der einen Seite steht kollektive Interesse der Gemeinschaft, mittels einer möglichst hohen Durchimpfungsrate die Bevölkerung vor Krankheiten – vor allem sehr teuren – zu schützen oder sogar Krankheiten vollständig zu eliminieren. Andererseits gibt es das individuelle Recht des Einzelnen auf eine freie Entscheidung zur Impfung. Impfgegner und -befürworter warnen mit dem gleichen Ziel: Sie wollen, dass die Kinder gesund sind und bleiben. Fischer stellt dazu fest: „Die meisten Kinder fallen weder tot um, wenn man sie impft, noch wenn man sie nicht impft“. Doch vom Public Health Standpunkt aus, seien Impfungen eine äußerst sinnvolle und kosteneffektive Methode. 

Dass in der Praxis die Angst vor den Nebenwirkungen einer Impfung oft größer ist als die Angst vor der Erkrankung selbst, führten die Teilnehmer der Tagung auf die schlechte Informationslage zurück. Hier sollte der Staat in die Pflicht genommen werden, hinreichende und angemessen differenzierte Informationen bereitzustellen und das medizinische Personal zu schulen.

Aber selbst bei bestehender Impfmotivation werde es Impfwilligen nicht immer leicht gemacht. Fischer verwies auf die gegenwärtig zu beobachtenden Lieferengpässe bei einigen Impfstoffen. Diese erschwerten es, eine Herdenimmunität zu erreichen – auch dies sei ein ethisch großes Problem.

Was die in letzter Zeit immer wieder – insbesondere im Zusammenhang mit Masern – aufgekommene Diskussion um eine etwaige Impfpflicht angeht, zeigten sich die Experten in ihrer Einschätzung einig. Freiwilligen Impfungen sei der Vorzug zu geben. Fischer erklärte, eine Impfpflicht – ähnlich der existierenden Pflichtbehandlung bei Tuberkulose – sei nun in äußersten Notfällen zu rechtfertigen. Denkbar sei sie gegebenenfalls bei einer Influenza mit hoher Sterblichkeit.



Kirsten Sucker-Sket


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