Gute Substitutionspraxis

DPhG legt neue Leitlinie vor

Berlin - 24.02.2014, 15:56 Uhr


Wirkstoffgleiche Arzneimittel können nicht in jedem Fall bedenkenlos ausgetauscht werden. Bei einigen Arzneistoffen und Darreichungsformen ist der pharmazeutische Sachverstand gefragt. Ob dieser beim Gemeinsamen Bundesausschuss in ausreichendem Maß vorhanden ist, bezweifelt man bei der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft (DPhG). Sie hat gerade ihre Leitlinie zur „Guten Substitutionspraxis“ aktualisiert und hofft nun, dass der G-BA diese bei der Erstellung der Substitutionsausschlussliste berücksichtigen wird.

Vor zwölf Jahren hatte die DPhG ihre GSP-Leitlinie erstmals veröffentlicht. Nachdem der Gesetzgeber GKV-Spitzenverband und Deutschen Apothekerverband im Herbst 2012 aufgefordert hat, eine Liste von Arzneimitteln zu erstellen, die nicht im Rahmen von Aut-idem ersetzt werden sollen, besann man sich auf diese Leitlinie. Doch es war klar: Es muss eine überarbeitete Fassung her. Nun ist es soweit – allerdings ist die Politik inzwischen schon einen Schritt weiter und hat die Erstellung der Liste dem G-BA übertragen.

Die Autoren der GSP-Leitlinie setzen darauf, dass der G-BA ihre Empfehlungen als Grundlage heranzieht, wenn er sich in Kürze seiner neuen Aufgabe zuwendet. Darüber hinaus richtet sich die Leitlinie aber vor allem an Apothekerinnen und Apotheker, die ihren Patienten die größtmögliche Therapiesicherheit bieten wollen. Wer einen Austausch wegen pharmazeutischer Bedenken ablehnt, kann hier Unterstützung finden. Zudem sieht die DPhG die Krankenkassen als Zielgruppe. Denn bei den Rabattvertragsausschreibungen sind ihre Empfehlungen kaum berücksichtigt.

Die Leitlinie zeigt zum einen bestimmte Arzneimittelgruppen auf, bei denen ein Austausch vermieden werden sollte, wenn Patienten bereits gut auf ein Arzneimittel eingestellt sind. Dabei handelt es sich um Antiarrhythmika, Antiasthmatika, Antidepressiva, Antiepileptika, Antikoagulantien, herzwirksame Glykoside, Immunsuppressiva, Lithium, Neuroleptika, Opioid-Analgetika und Schilddrüsenhormone. Letztere sind dabei der „Klassiker“ unter den Arzneistoffen mit geringer therapeutischer Breite und sehr niedriger Dosierung, erläuterte Professor Dr. Henning Blume, Geschäftsführer der Socratec R&D GmbH und Mitautor der Leitlinie. Die Bioverfügbarkeit sei bei Präparaten wie Levothyroxin zwar unproblematisch – doch anders sieht es bei der Dosiergenauigkeit aus. Sehr schnell kann es hier zu einer Über- oder Unterdosierung kommen – mit unmittelbaren Folgen für die Patienten.

Zum anderen weisen die Autoren der Leitlinie auf schwierige Arzneiformen hin – beispielsweise Retard-Arzneimittel. Doch der G-BA hat keine Probleme, die unterschiedlichsten Darreichungsformen – etwa von Diclofenac – in seinen Hinweisen zur Austauschbarkeit als gleichwertig zu definieren. Dabei können die Präparate durchaus sehr verschieden sein, erläuterte Dr. Klaus Brauer, Mitherausgeber der DAZ und Co-Autor der GSP-Leitlinie. Vor allem wenn es sich um solche mit zwei-phasiger Wirkstofffreisetzung handelt. Als Beispiel nennt er unterschiedliche Diclofenac-Präparate, die zwar jeweils 75 mg Wirkstoff enthalten – doch eines setzt 25 mg schnell frei, den Rest langsam, das andere startet mit 12,5 mg schnell und gibt den Rest retardiert ab. Dass das nicht das Gleiche ist, leuchte auch einem Laien ein, so Brauer.

Dass es nun eine „Austauschverbotsliste“ geben soll, die dem Apotheker bei bestimmten Arzneimitteln nicht einmal mehr erlaubt, pharmazeutische Bedenken anzumelden, hält Brauer nicht für den richtigen Weg. Er hätte sich gewünscht, dass Apotheker bei kritischen Indikationen oder Darreichungsformen beherzter pharmazeutische Bedenken anmelden bzw. Ärzte öfter die Aut-idem-Substitution ausschließen – dann wäre eine Liste gar nicht nötig gewesen. Doch beide Berufsgruppen scheuen diese Instrumente. Sie fürchten Retaxationen und Regresse, obwohl nicht bekannt ist, dass die Krankenkassen in diesen Fällen tatsächlich gegen Apotheker und Ärzte vorgehen. Wenn es schon eine Liste sein muss, so plädieren Brauer und Blume für eine „Austauschvermeidungsliste“. Das Gebot müsse lauten: Die Kontinuität der Versorgung geht vor.

Die aktuelle Leitlinie zur guten Substitutionspraxis hat die Deutsche Pharmazeutische Gesellschaft (DPhG) veröffentlicht. 


Kirsten Sucker-Sket