Monopolisierung der Impfstoffherstellung

Kinderärzte sehen Impfziele gefährdet

Berlin - 23.01.2014, 09:19 Uhr


Die Deutsche Akademie für Kinder- und Jugendmedizin spricht sich klar gegen Rabattverträge für Impfstoffe aus. Die komplexen biologischen Produkte seien trotz scheinbar identischer Antigene in vielerlei Hinsicht unterschiedlich und daher nicht austauschbar. Zudem beschleunigten diese Verträge die Konzentrationsprozesse: Falle ein Hersteller aus, seien die Impfziele gefährdet.

Bereits 2006 hatte die Kommission für Infektionskrankheiten und Impffragen der DAKJ darauf hingewiesen: Wegen der zurückgegangenen Produktvielfalt bei Impfstoffen stünde bei Lieferengpässen oder einer Marktrücknahme oftmals keine Alternative zur Verfügung. Und wenn es eine solche gebe, könne diese den Bedarf nicht decken. In der Folge hätten zahlreiche Kinder keinen ausreichenden oder gar keinen Impfschutz.

Nun hat die Kommission ihre Stellungnahme zu den Folgen dieser „Monopolisierung“ aktualisiert. Anlass dazu geben die immer wieder auftretenden Lieferengpässe. So hat derzeit GlaxoSmithKline (GSK) Probleme: Zum einen mit seinen Varizellen-Impfstoffen (Priorix-Tetra®, Varilrix®), zum anderen mit seinem Kombinationsimpfstoff gegen Diphtherie, Pertussis, Poliomyelitis und Tetanus (Boostrix®Polio). Mit der MMRV-Kombination Priorix-Tetra® ist GSK allein auf dem Markt. Bei den anderen beiden Impfstoffen gibt es nur einen Mitbewerber.

Ähnlich sieht es bei den meisten anderen Schutzimpfungen für Kinder und Jugendliche aus: Sie werden meist nur von ein oder zwei Herstellern angeboten. Es gibt überhaupt nur noch vier Pharmafirmen, die Standardimpfungen für Kinder und Jugendliche auf dem deutschen Markt anbieten. Einige Impfstoffe, so beklagt die DAKJ weiter, würden zudem gar nicht mehr vertrieben, so etwa monovalente Impfstoffe gegen Pertussis und Hib. Wenn gewünschte Einzelimpfungen nicht mehr nachgeholt werden können, rücken die Impfziele noch weiter in die Ferne.

Die Rabattverträge, die die Krankenkassen seit 2011 über Impfstoffe abschließen können, machen die Situation aus Sicht der Kinder- und Jugendmediziner nicht besser. Dazu verweist die Kommission auf die Grippesaison 2012/13, als Novartis – seinerzeit Rabattpartner der gesetzlichen Kassen in Schleswig-Holstein, Hamburg und Bayern – Probleme mit der Herstellung seiner Grippeimpfstoffe hatte. Hier kam es bekanntlich zu teilweise chaotischen Verhältnissen in Apotheken und Arztpraxen.

Seit 2013 haben die Krankenkassen in Baden-Württemberg auch über andere Schutzimpfungen Rabattverträge abgeschlossen. In zwei der sieben rabattvertragsgeregelten Indikationen fällt mit GSK nun der Rabattpartner aus. Ob der Mitbewerber den Bedarf decken kann, ist fraglich.

All dies lässt die DAKJ-Kommission zu dem Schluss kommen, dass die bestehenden Rabattvertragsregelungen für Arzneimittel nicht auf Impfstoffe angewendet werden sollten. Kassen und Gesetzgeber seien aufgefordert, nach alternativen Möglichkeiten der Kostenkontrolle bei Impfstoffen zu suchen, heißt es in der Stellungnahme.

Die Stellungnahme der DAKJ können Sie hier als pdf-Dokument herunterladen.


Kirsten Sucker-Sket


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