Kleine Anfrage der Linksfraktion

Bundesregierung: Arzneimittel zur Raucherentwöhnung sind Privatsache

Berlin - 16.01.2014, 16:23 Uhr


Arzneimittel zur Raucherentwöhnung sind nach geltendem Recht von der GKV-Versorgung ausgeschlossen. Angesichts der bekannten großen Gesundheitsgefahren des Rauchens und der in mehreren Studien nachgewiesenen Wirksamkeit von Arzneimitteln zur Raucherentwöhnung ist dieser Erstattungsausschluss für die Linksfraktion wenig nachvollziehbar. In einer Kleinen Anfrage hakte sie bei der Bundesregierung nach, wie sie diesen Ausschluss nunmehr einschätzt.

56 Fragen rund ums Rauchen und die Nikotinersatztherapie stellte die Linksfraktion – die Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium Ingrid Fischbach (CDU) hat nun geantwortet. Obwohl die Tabakabhängigkeit nach den Diagnosekriterien der ICD-10 als Krankheit gilt, hält die Regierung den Verordnungsausschluss von Medikamenten zur Entwöhnung für gerechtfertigt. Da es sich um Arzneimittel handele, deren Einsatz im Wesentlichen durch die private Lebensführung bedingt sei, sei jeder Verbraucher für deren Finanzierung selbst verantwortlich, schreibt Fischbach.

Dass andere Maßnahmen zur Tabakentwöhnung – etwa die ärztliche Beratung oder spezifische Ausstiegsprogramme – von der GKV finanziert werden, ist für die Bundesregierung offenbar kein Widerspruch. Die Tagestherapiekosten für entsprechende Medikamente lägen in einem Bereich, den Versicherte auch wegen der eingesparten Kosten für Zigaretten selbst finanzieren könnten, heißt es in der Antwort.

Der Bundesregierung ist wohl bewusst, dass sich verschiedene Organisationen – darunter die Bundesärztekammer, die Deutsche Herzstiftung und das Deutsche Krebsforschungszentrum – für die Kostenübernahme einer medikamentösen Behandlung ausgesprochen haben. Ebenso räumt sie ein, dass die Wirksamkeit aller nikotinsubstituierender Verfahren „auf der Basis einer großen Zahl methodisch guter Studien hinreichend belegt“ sei. Auch sei die arzneimittelgestützte Tabakentwöhnung Studien zufolge „kosteneffektiv“. Immerhin werden die Kosten für die Behandlung tabakbedingter Erkrankungen auf jährlich rund 7,5 Mrd. Euro geschätzt. Gesamtwirtschaftlich gesehen summieren sie sich sogar auf 21 Mrd. Euro. Doch Fischbach schreibt auch: Eine Kostenübernahme für die Arzneimittel würde erst einmal zu Mehrausgaben der Kassen führen. „Die Bereitschaft eines Patienten, selbst die Kosten zu tragen, ist dagegen ein Zeichen für Motivation, die bei der Raucherentwöhnung zwingend erforderlich ist.“

Kurzum: Angesichts der bestehenden Gesetzeslage sieht die Bundesregierung keine Möglichkeit für die Kostenerstattung. Und das noch nicht einmal im Rahmen von Disease-Management-Programmen – etwa für Asthma und COPD – oder freiwilligen Satzungsleistungen der Krankenkassen.

Für Frank Tempel, den drogenpolitischen Sprecher der Linksfraktion, ist die Antwort der Bundesregierung schlicht „zynisch“. Obwohl der Regierung der aktuelle Wissensstand bekannt sei, spiele dieser für ihre Argumentation und ihr Handeln offenbar überhaupt keine Rolle. Für Tempel ist es „rechtlich absurd und für die Betroffenen eine Katastrophe“, wirksame Arzneimittel gegen schwere Erkrankungen per Gesetz von der Erstattung auszuschließen. Es gebe keinen Grund, Suchterkrankungen anders zu behandeln als andere Krankheiten. „Es käme ja auch niemand auf die Idee, eine Therapie gegen Diabetes oder Gefäßerkrankungen nicht zu bezahlen, weil das Verhalten des Einzelnen mit zu ihrer Entstehung beigetragen hat“, so der Bundestagsabgeordnete. Er ist überzeugt: „Den Betroffenen wirksame Therapien vorzuenthalten, ist nichts anderes als die Rationierung von sinnvollen Gesundheitsleistungen und gehört abgeschafft.“


Kirsten Sucker-Sket


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