Bundesarbeitsgericht

Kündigung wegen HIV-Infektion in der Regel diskriminierend

Erfurt/Berlin - 19.12.2013, 16:12 Uhr


Ein HIV-infizierter Arbeitnehmer ohne Symptome gilt als „behindert“ im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, das Diskriminierungen wegen einer Behinderung untersagt. Eine Kündigung, die untrennbar mit einer solchen Behinderung zusammenhängt, benachteiligt den Arbeitnehmer. Dies stellte heute das Bundesarbeitsgericht fest. Gleichwohl könne eine solche Kündigung gerechtfertigt sein. Ob dies bei einem chemisch-technischen Assistenten, der intravenös verabreichte Arzneimittel zur Krebsbehandlung herstellt, der Fall ist, muss nun die Vorinstanz klären.

Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis eines HIV-infizierten Arbeitnehmers in der gesetzlichen Wartezeit des § 1 Kündigungsschutzgesetzes wegen eben dieser HIV-Infektion, so sei die Kündigung im Regelfall diskriminierend und damit unwirksam, so das Bundesarbeitsgericht. Dies gelte jedenfalls dann, wenn der Arbeitgeber durch angemessene Vorkehrungen den Einsatz des Arbeitnehmers trotz seiner Behinderung ermöglichen könne. Ob dies in dem den Erfurter Richtern vorliegenden Fall möglich ist, muss nun das Landesarbeitsgericht entscheiden. An dieses hat das Bundesarbeitsgericht die Sache zur weiteren Aufklärung zurückverwiesen.

Vorliegend handelt es sich bei dem Kläger um einen chemisch-technischen Assistenten, der an einer symptomlosen HIV-Infektion leidet. Für seinen Arbeitgeber, einen Arzneimittelhersteller, stellte er in einem Reinraum intravenös zu verabreichende Zytostatika her. Anlässlich seiner Einstellungsuntersuchung wenige Tage nach Beginn des Arbeitsverhältnisses wies der Kläger den Betriebsarzt auf seine Infektion hin. Der Arzt äußerte Bedenken, den Kläger im Reinraumbereich einzusetzen. Dies teilte er dem beklagten Arbeitgeber mit. Noch am selben Tag kündigte dieser das Arbeitsverhältnis ordentlich. Wegen seiner ansteckenden Krankheit sei der Kläger nach dem internen Regelwerk des Unternehmens nicht einzusetzen. Der Kläger sieht sich diskriminiert und verlangt eine Entschädigung.

Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Das Bundearbeitsgericht stellt sich auf den Standpunkt, dass noch nicht feststeht, ob die Kündigung ausnahmsweise gerechtfertigt ist. Das Landesarbeitsgericht müsse noch aufklären, ob die Beklagte durch angemessene Vorkehrungen den Einsatz des Klägers im Reinraum hätte ermöglichen können. Sei das nicht der Fall, sei die Kündigung wirksam.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19. Dezember 2013, Az.: 6 AZR 190/12


Kirsten Sucker-Sket


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