Taler und Boni nach neuem HWG

Drachentaler vor Gericht

Berlin - 16.10.2013, 13:59 Uhr


Egal ob nur bei Rezeptlösung oder bei jedem Apothekeneinkauf: Wer in seiner Apotheke Kunden Taler gewährt, die diese gegen Einkaufsgutscheine und Prämien eintauschen können, handelt nach einem aktuellen Beschluss des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen nicht rechtmäßig. Das Gericht hatte kein Problem damit, dass die zuständige Apothekerkammer einer Apothekerin per sofort vollziehbarer Ordnungsverfügung untersagte, bei Rezepteinreichung „Drachentaler“ auszugeben. Auch eine Spürbarkeitsschwelle sei nicht zu beachten gewesen.

Die Richter hatten sich in diesem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nur damit zu befassen, ob die Anordnung der sofortigen Vollziehung gerechtfertigt war. Diese sorgt dafür, dass eine Klage des Betroffenen gegen die Verfügung keine aufschiebende Wirkung hat, die Anordnung also sofort umzusetzen ist. Nach der im Eilverfahren vorzunehmenden summarischen Prüfung erwies sich die Ordnungsverfügung für das Gericht als mit großer Wahrscheinlichkeit rechtmäßig.

Das Verfahren habe sich auch nicht deshalb erledigt, weil die Apothekerin, die in Westfalen-Lippe mehrere Apotheken betreibt, ihr Talerkonzept mittlerweile umgestellt hat. Zunächst erhielten nur Kunden, die ein Rezept einlösten, „Drachentaler“. Dies veranlasste die Kammer, der Apothekerin zu untersagen, „in den von ihr betriebenen Apotheken bei der Einlösung von Rezepten über verschreibungspflichtige oder sonstige preisgebundene Arzneimittel Taler (z.B. Drachentaler) zum Erhalt von Einkaufsgutscheinen ihrer Apotheken sowie von Gutscheinen oder Prämien ihrer Talerpartner zu gewähren oder gewähren zu lassen oder hierfür zu werben oder werben zu lassen“. Nunmehr gibt die Apothekerin ihre Taler an jeden Kunden aus, der in ihren Apotheken etwas kauft. Dies umfasst die Taler-Abgabe an Personen, die Rezepte einlösen, die die Kammer mit ihrer Ordnungsverfügung ausschalten will. Ein neuer Sachverhalt liege somit nicht vor, so das Verwaltungsgericht.

Mit ihrem Talerkonzept verstoße die Apothekerin aller Voraussicht nach gegen § 19 Nr. 1 der Berufsordnung für Apothekerinnen und Apotheker der Apothekerkammer Westfalen-Lippe. Danach ist es verboten, von dem sich aus der Arzneimittelpreisverordnung ergebenden einheitlichen Apothekenpreis abzugehen – insbesondere durch Rabatte – und hierfür zu werben.

Dass durch die Gewährung derartiger Taler bei Rezepteinlösung von der gesetzlichen Preisbindung abgegangen wird, ist nach der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesgerichthofs geklärt. Ebenso, dass daneben das Heilmittelwerberecht anwendbar ist. Doch der Bundesgerichtshof wollte in seinen zivilrechtlichen Boni-Entscheidungen eine Spürbarkeitsschwelle beachtet wissen. Boni oder Taler von geringem Wert, die den Wettbewerb nicht spürbar beeinträchtigen können, waren danach wettbewerbsrechtlich nicht zu ahnden.

Vorliegend handelt es sich allerdings um ein verwaltungsgerichtliches Verfahren. Ob hier die wettbewerbsrechtlichen Erwägungen eine Rolle spielen, war bis zuletzt umstritten. Abgesehen davon, dass hier das Verwaltungsgericht zu der Auffassung neigt „dass die Bestimmungen des UWG die genannten öffentlich-rechtlichen Vorschriften des Heilmittelwerbe- und des Arzneimittelgesetzes nicht berühren“, hat mittlerweile auch das HWG eine Änderung erfahren. Nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 HWG sind seit Mitte August auch Zuwendungen und Werbemittel für Arzneimittel unzulässig, „soweit sie gegen die Preisvorschriften gewährt werden, die aufgrund des Arzneimittelgesetzes gelten“. Damit stehe fest, dass jegliche Art von Werbegabe oder Zuwendung bei preisgebundenen Arzneimitteln – unabhängig von deren Wert – die Spürbarkeitsschwelle des § 3 Abs. 1 UWG überschreite, konstatieren die Richter.

Nicht unerwähnt lassen sie die Kritik an der Neuregelung in § 7 Abs. 1 Nr. HWG. Ob diese gegen europarechtliche Vorgaben oder das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 des Grundgesetzes verstoße, müsse der Klärung im Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Für die Gelsenkirchener Verwaltungsrichter erscheint eine Verletzung der Berufsausübungsfreiheit jedoch angesichts des geringen Eingriffs und des hohen zu schützenden Allgemeinguts der flächendeckenden und gleichmäßigen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln eher fernliegend.

Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Beschluss vom 19. September 2013, Az: 7 L 849/13


Kirsten Sucker-Sket