Barmer GEK-Report

Heil- und Hilfsmittelbereich weiter unterschätzt

Berlin - 18.09.2013, 12:08 Uhr


Immer mehr Menschen benötigen Heil- und Hilfsmittel. Zu diesem Ergebnis kommt der aktuelle Heil- und Hilfsmittelreport der Barmer GEK. Alterung und technischer Fortschritt treiben den Bedarf nach Meinung des stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden, Rolf-Ulrich Schlenker, in die Höhe. Obwohl dieser Bereich mittlerweile ein Ausgabenvolumen von rund 11,5 Milliarden Euro beanspruche, werde er weiterhin „total unterschätzt“.

Nach Angaben der Kasse entfallen fast sieben Prozent der Gesamtausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) auf Heil- und Hilfsmittel – 2,9 bzw. 3,7 Prozent. Zusammen bilden sie den viertgrößten Ausgabenblock der GKV, gleichauf mit der zahnärztlichen Versorgung. Von 2007 bis 2012 sind die Ausgaben für Hilfsmittel um 17 Prozent, die für Heilmittel um 27,6 Prozent gestiegen. Im Jahr 2012 verlief das Wachstum mit rund +2,3 Prozent bei den Heilmitteln und +2,7 Prozent bei Hilfsmitteln vergleichsweise moderat. Für 2013 deuten sich jedoch höhere Steigerungsraten an. Sie lagen im ersten Halbjahr bei +3,5 Prozent für Heilmittel bzw. +5,1 Prozent für Hilfsmittel.

Für Heilmittel gab die Barmer GEK im Jahr 2012 rund 718 Millionen Euro aus, für Hilfsmittel rund 769 Millionen Euro. Beim offiziellen Rechnungsergebnis, das noch Nachmeldungen und Korrekturen berücksichtigt, lag man mit 733 Millionen Euro bzw. 787 Millionen Euro noch etwas darüber. Dabei dominierte bei den Heilmitteln wie in den Jahren zuvor die Physiotherapie (532,5 Mio. Euro), gefolgt von der Ergotherapie (102,1 Mio. Euro) und der Logopädie (65,8 Mio. Euro) – im Hilfsmittelbereich waren Inhalations- und Atemtherapiegeräte (96,7 Mio. Euro), Inkontinenzhilfen (77,4 Mio. Euro) und Hörhilfen (74,1 Mio. Euro) die ausgabenträchtigsten.

Das zentrale Ergebnis des Reports: Viel mehr Menschen als bisher angenommen sind von der Heil- und Hilfsmittelversorgung betroffen. So zeigen die Autoren des Reports um Gerd Glaeske, dass Patienten deutlich häufiger mit einem künstlichen Darm- oder Harnblasenausgang (Stoma) versorgt werden müssen als bisherige Schätzungen nahelegen: 160.000 statt 100.000. „Auch die Tatsache, dass 270.000 Menschen in Deutschland Adaptionshilfen wie Anzieh-, Greif- und Lesehilfen benötigen, zeigt die wachsende Bedeutung dieses Versorgungssektors“, so Glaeske. Er unterstrich seine Forderung, Hilfsmittel einer patientenorientierten Nutzenprüfung zu unterziehen: Bei den meisten Hilfsmitteln reich heute eine Selbsterklärung des Herstellers aus, um ein Produkt vermarkten zu können – stattdessen sei aber eine substanzielle Zulassung überfällig, die einen konkreten Nutzen für bestimmte Indikationen nachweise.

Viele Patienten in Deutschland sind nach Einschätzung des Bremer Gesundheitsforschers zudem durch fehlerhafte oder riskante Implantate gefährdet. „Es sind nicht Einzelfälle, es sind Tausende“, sagte Glaeske bei der Vorstellung des neuen Heil- und Hilfsmittelreports der Krankenkasse Barmer GEK laut der Nachrichtenagentur dpa. Bekannt seien etwa Fälle, in denen Metallabrieb von künstlichen Gelenken das Blut verunreinige. Andere Patienten würden mit untauglichen Herzschrittmachern alleingelassen: Der Hersteller sage, die Defibrillationselektrode könne wieder entfernt werden, die deutsche kardiologische Gesellschaft warne aber davor.


Juliane Ziegler